"Es war eine höllische Nacht", sagte der Sprecher der zuständigen Militärverwaltung, Serhij Bratschuk, am Mittwoch auf Telegram. Zehn Menschen wurden der ukrainischen Staatsanwaltschaft zufolge verletzt, zudem unter anderem Einkaufszentren, Wohngebäude und Verlade-Terminals beschädigt. Die ukrainische Regierung erklärte, 60.000 Tonnen Getreide seien vernichtet worden. Eine Stellungnahme Russlands gab es dazu zunächst nicht. Die erste neue Angriffswelle auf Schwarzmeerhäfen am Dienstag hatte die Regierung in Moskau als Vergeltung für Zerstörungen an der Brücke zur schon 2014 besetzten Krim bezeichnet.

Der Angriff auf Odessa sei "sehr stark, wirklich massiv" gewesen, sagte Militärsprecher Bratschuk weiter. In der Region um die Hafenstadt konnte die ukrainische Luftwaffe weniger russische Geschosse abwehren als sonst. Ihre Ziele seien Infrastruktur und militärische Einrichtungen gewesen. Laut den ukrainischen Behörden wurden aber auch Industrieanlagen, Lager und Verwaltungsgebäude getroffen. Auch in vielen anderen Teilen der Ukraine heulten am Mittwoch seit kurz nach Mitternacht immer wieder die Sirenen. Kiew wurde ebenfalls angegriffen.

SELENSKYJ: RUSSLAND ZIELT AUF GETREIDE-INFRASTRUKTUR

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte auf Telegram: "Russische Terroristen haben definitiv absichtlich auf die Infrastruktur des Getreide-Deals gezielt." Russland hatte am Montag erklärt, das der Türkei und den UN vermittelte Abkommen nicht zu verlängern. Es hatte zum Ziel, für viele Teile der Welt wichtige Getreide-Ausfuhren trotz des Krieges zu ermöglichen. Russland hatte wiederholt eine mangelnde Umsetzung eigener Forderungen bemängelt. Die Ukraine will nun auch ohne russische Sicherheitszusagen die Ausfuhren fortsetzen. Davor gab es jedoch eindringliche Warnungen aus Moskau.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte, sie wolle die Ukraine unterstützen, alternative Export-Routen zu finden. Dies könne mit Hilfe der EU per Schiff, Bahn oder über die Straße gelingen, twitterte die Grünen-Politikerin. Die UN erklärten, es seien verschiedene Alternativen im Gespräch, um ukrainisches Getreide und russische Düngemittel auf die Weltmärkte zu bekommen. Die Regierung in Kiew teilte in einem offiziellen Schreiben an die UN-Schifffahrtsbehörde mit, es würden bereits provisorische Routen eingerichtet, die in die Gewässer des Schwarzmeer-Anrainers Rumänien führten.

Kurz vor dem russischen Rückzug aus dem Getreide-Deal hatten Explosionen die strategisch wichtige und symbolträchtige Brücke zur Krim stark beschädigt. Russland gab der Ukraine die Schuld dafür. Auch ukrainische Medien berichteten über eine Beteiligung des Geheimdienstes SBU und der eigenen Marine. Auf der Schwarzmeer-Halbinsel mussten nach einem Brand auf einem Militärgelände vier Orte evakuiert werden, wie Gouverneur Sergej Axjonow mitteilte. Medienberichten zufolge stand nach einem ukrainischen Luftangriff ein Munitionsdepot in Flammen.

Die Ukraine wehrt seit dem 24. Februar 2022 eine Invasion russischer Truppen ab, die von der Regierung in Moskau als militärischer Sondereinsatz bezeichnet wird. Die Ukraine und ihre Verbündeten sprechen von einem Angriffskrieg. Gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin besteht ein internationaler Haftbefehl. Vor dem Hintergrund von Streitigkeiten in diesem Zusammenhang verzichtet Putin auf die Teilnahme am Gipfel der BRICS-Staaten in Südafrika, wie der Gastgeber mitteilte, will sich aber per Video zuschalten.

(Bericht von Nick Starkov, geschrieben von Elke Ahlswede, redigiert von Sabine Ehrhardt. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Max Hunder und Olena Harmash