Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hat bei ihrer Kabinettssitzung zusammen mit dem Budgetentwurf für 2025 ein Wachstumspaket auf den Weg gebracht. Diese "Wachstumsinitiative - neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland" sieht laut Bundesfinanzministerium ein Maßnahmenpaket vor, das der deutschen Wirtschaft umgehend erste angebotsseitige Impulse für mehr wirtschaftliche Dynamik geben soll.

Vorgesehen sind darin 49 Maßnahmen in folgenden 5 Bereichen:


1. Wettbewerbsfähigkeit stärken 

Mit dem Ziel, private Investitionen anzureizen, will die Bundesregierung die degressive Abschreibung bis 2028 verlängern und den Satz von 20 Prozent auf 25 Prozent anheben sowie eine Reform der Sammelabschreibungen vornehmen durch den Einstieg in eine Pool-Abschreibung mit Anhebung auf 5.000 Euro. Die Bemessungsgrundlage für die Forschungszulage soll um weitere 2 Millionen auf 12 Millionen Euro steigen. Die maximale Zulage würde sich dadurch pro Jahr auf 3 Millionen Euro und für kleine und mittlere Unternehmen auf 4,2 Millionen Euro erhöhen. Um inflationsbedingte Mehrbelastungen für die Steuerzahler zu vermeiden, sollen die Tarifeckwerte auch für 2025 und 2026 entsprechend verschoben werden.

Auch sollen Förderinstrumente möglichst effektiv ausgestaltet und Spielräume bei der bundeseigenen Förderbank KfW möglichst haushaltsschonend genutzt werden. Dazu sollen ein verstärkter Einsatz von zinsverbilligten Krediten anstatt von Investitionszuschüssen, die Bereitstellung von Bundesgarantien für Risikoübernahmen bei der Produktionsausweitung von Unternehmen sowie ein möglicher Eigenkapital-Transformationsfonds gehören. Geplant ist auch, mit mehreren Maßnahmen die Baukosten zu senken und den Wohnungsneubau zu stärken.

Die Bundesregierung will auch ihre Anstrengungen zur E-Mobilität erhöhen. Für Unternehmen wird rückwirkend zum 1. Juli 2024 eine Sonderabschreibung für neu zugelassene vollelektrische und vergleichbare Nullemissionsfahrzeuge eingeführt, die die Anschaffung der betroffenen Fahrzeuge deutlich attraktiver machen und für Neuzulassungen bis Ende 2028 gelten soll. Geplant ist auch eine Erhöhung des Deckels für den Brutto-Listenpreis von 70.000 Euro auf 95.000 Euro bei der Dienstwagenbesteuerung für E-Fahrzeuge und eine steuerliche Gleichstellung von ausschließlich mit E-Fuels betriebenen Kraftfahrzeugen mit vollelektrischen Fahrzeugen, insbesondere bei der Kfz-Steuer und der Dienstwagenbesteuerung.


   2. Mehr unternehmerische Dynamik 

Die Bundesregierung will künftig jedes Jahr ein Bürokratieentlastungsgesetz vorlegen, welches sicherstellt, dass die Belastung aus sämtlichen Bundesgesetzen in dem jeweiligen Jahr auch unter Berücksichtigung neu geschaffener Regelungen insgesamt abnimmt. Zudem sollen in allen Ressorts Praxischecks eingeführt werden, aus denen sich jeweils konkrete Bürokratieentlastungsmaßnahmen ableiten. Alle Ressorts der Bundesregierung verpflichten sich zu einem konsequenten Abbau von Nachweis- und Berichtspflichten im jeweiligen Geschäftsbereich mit klar überprüfbaren Abbauzielen und Zeitpfaden. Auch will die Bundesregierung ein Online-Bürokratieentlastungsportal einrichten und die Anwendung datenschutzrechtlicher Anforderungen reduzieren.

Um die überschießende Umsetzung von EU-Recht zu vermeiden, will die Regierung ab sofort EU-Richtlinien in der Regel eins zu eins in nationales Recht umsetzen. Die europäische Lieferkettenrichtlinie soll noch in dieser Legislaturperiode eins zu eins durch Änderung des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes so bürokratiearm wie möglich umgesetzt werden. Damit würden noch in dieser Legislaturperiode nur noch rund ein Drittel und damit weniger als 1.000 Unternehmen der bisher unter das Gesetz fallenden Unternehmen direkt erfasst.

Alle Pflichten aus der europäischen Richtlinie, auch die Regelungen zur zivilrechtlichen Haftung, sollen erst zum spätesten europarechtlich vorgeschriebenen Zeitpunkt verbindlich werden: für Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten weltweit und 1.500 Millionen Euro Umsatz ab 2027, für Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten weltweit und 900 Millionen Euro Umsatz ab 2028 und für Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten weltweit und 450 Millionen Euro Umsatz ab 2029. Auch soll das Steuerrecht vereinfacht und die Exportkontrolle beschleunigt werden. Dazu soll mit dem Erklärverfahren ein neues beschleunigtes Verfahren im Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle eingeführt werden.


   3. Mehr Arbeitsanreize 

Damit sich Mehrarbeit auszahlt, sollen Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuer- und beitragsfrei gestellt werden. Die Bundesregierung will zudem einen neuen steuerlichen Anreiz zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten schaffen. Um die Anreize für die Erwerbstätigkeit von Personen nach Erreichen der Regelaltersgrenze zu erhöhen, sollen ihnen die Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosen- und zur Rentenversicherung ausgezahlt werden.


   4. Leistungsfähiger Finanzstandort 

Zur Stärkung des Finanzstandorts Deutschland wird unter anderem eine Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen von VC-Investments und die Möglichkeit englischsprachiger Prospekte, eine Verkürzung des Prospektbilligungsverfahrens auf sechs bis acht Wochen sowie die Förderung von Investitionen öffentlicher und privater Kapitalsammelstellen in risikoreichere Anlageklassen wie Infrastruktur- oder Venture Capital Projekte erörtert. Die Bundesregierung will sich auf EU-Ebene "für eine ehrgeizigere Agenda zur Verwirklichung der Kapitalmarktunion stark machen". Hierzu gehörten insbesondere eine Revitalisierung des Verbriefungsmarkts und eine Entbürokratisierung der Finanzmarktregulierung.


   5. Leistungsfähiger Energiemarkt 

Die Regierung will das zunächst bis Ende 2025 befristete Strompreispaket verstetigen und ausweiten. Die Stromsteuer für den jetzigen Begünstigtenkreis soll dauerhaft auf das EU-Minimum von 0,50 Euro/MWh abgesenkt werden. Das entspreche einer Entlastung der Wirtschaft in Höhe von 3,25 Milliarden Euro pro Jahr. Die bisher bis 2028 befristete Strompreiskompensation werde bis 2030 verlängert; dies entspreche auch der Laufzeit der entsprechenden Beihilfeleitlinien und einer jährlichen Entlastung der Wirtschaft von 3,9 Milliarden Euro pro Jahr. Auch sollen die Rahmenbedingungen für Stromspeicher verbessert und der Netzausbau gestaffelt werden, um Kosten zu verringern.

Die Regierung will zudem Maßnahmen vorlegen, mit denen die Netzkosten gesenkt und die Netzentgelte stabilisiert werden können, um Haushalte und Unternehmen zu entlasten. In diesem Kontext soll zügig geprüft werden, ob und wie ein Amortisationskonto die Netzentgelte stabilisieren kann. Konkret werde die Regierung insbesondere die Auszahlungen "vermiedener Netzentgelte" an Stromerzeuger in Verteilernetzen überprüfen, zeitvariable Netzentgelte für systemdienliche Netznutzung einführen, die Nutzung von Überschussstrom verbessern, den Einsatz virtueller Leitungen und netztechnischer Betriebsmittel sowie den netzdienlichen Einsatz von Kraftwerken weiterentwickeln. Geprüft werden zudem Möglichkeiten zur gemeinsamen Beschaffung von Material für den Netzausbau.

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

DJG/ank/sha

(END) Dow Jones Newswires

July 17, 2024 08:30 ET (12:30 GMT)