Zürich (awp) - Nach dem Börsenboom im vergangenen Jahr rechnet die Raiffeisen Bankengruppe nicht mit einer Fortsetzung: "Die Gesamtrenditen werden im laufenden Jahr klar tiefer ausfallen", erklärte Raiffeisen-Investmentchef Matthias Geissbühler am Donnerstag vor den Medien in Zürich.

Dafür verantwortlich seien einerseits die hohen Bewertungen, andererseits politische Unsicherheiten, die zu einer deutlich höheren Volatilität an den Börsen führen würden. Die US-Präsidentschaftswahl im Herbst "wird das politische Risiko-Ereignis des Jahres sein und seine Schatten auf die Märkte vorauswerfen", erklärte Geissbühler. "Die Volatilität an der Börse wird deshalb besonders in der Sommermonaten und im Herbst deutlich steigen."

Und dabei sei der Index der politischen Risiken bereits auf einem Allzeithoch. Die Aktienmärkte nähmen das bisher aber noch gelassen. Die Anleger würden darauf vertrauen, dass die Notenbanken im Falle einer Krise wieder einspringen würden. "Wir halten das für gefährlich", sagte Geissbühler.

Denn langsam seien die Möglichkeiten der Notenbanken ausgeschöpft. Die lockere Geldpolitik der Notenbanken übertünche bislang nur die politischen Unsicherheiten. Irgendwann würden diese in die Aktienmärkte einfliessen.

Zum Jahresbeginn erhalte die Wirtschaft allerdings erst einmal Rückenwind von den geopolitischen Hotspots, da der Brexit Ende Januar 2020 offiziell vollzogen werde und es im US-chinesischen Handelskrieg Anzeichen für eine Entspannung gebe.

Aktienkurse zu hoch

Die Gewinnerwartungen bei den Aktien seien aktuell zu hoch und das Potenzial nach oben entsprechend limitiert. "Wir rechnen mit einer realistischen Gesamtrendite für Aktien von 4 bis 6 Prozent", erklärte Geissbühler. Bei den amerikanischen Börsen erwarte er eine Stagnation, während er für die Schweizer Börse neutral gestimmt sein. Die Börsen in Europa und in Schwellenländern dürften indes noch leicht steigen, sagte der Investmentchef vor den Medien. Schwellenländeraktien hätten ein gewisses Aufholpotenzial.

Die Performance der Aktienmarkterträge im letzten Jahr stamme vor allem aus den gestiegenen Bewertungen. Diese seien mittlerweile stolz und deutlich über dem Schnitt der vergangenen 15 Jahre, sagte Geissbühler: "Wir halten es für unrealistisch, dass die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) weiter ansteigen."

Die Konsenserwartungen des Marktes für ein Gewinnwachstum der Unternehmen von 8 bis 9 Prozent im 2020 seien deutlich zu hoch. Raiffeisen gehe von höchstens 5 Prozent aus, sagte der Anlageexperte. "Das birgt Enttäuschungspotenzial für die Aktienmärkte." Treiber der Gesamtrendite von Aktien dürften im laufenden Jahr die Dividenden sein.

Immobilienfonds und Gold attraktiv

Die höhere Volatilität der Märkte werde sich speziell auf die Aktienmärkte auswirken. Deshalb komme diversifizierenden Anlagen wie Immobilien und Gold eine besondere Bedeutung zu. "Mit der attraktiven Ausschüttungsrendite von rund 2,6 Prozent sind Schweizer Immobilienfonds weiterhin eine interessante Beimischung", äusserte sich Geissbühler. Gold sei aus Diversifikationsgründen ebenfalls interessant, da es teilweise negativ zu den übrigen Anlageklassen korreliere.

"Von Obligationen erwarten wir keinen nennenswerten Performancebeitrag. Ein ausgewogenes Portfolio wird im besten Fall mittlere einstellige Renditen liefern", liess Geissbühler verlauten. Obligationen würden allein noch als Puffer gegen Kursrückschläge bei Aktien dienen.

Ausländische Wertpapiere nicht besser als heimische

Geissbühler warnte vor zu vielen Titeln aus dem Ausland: "Die Auswertungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass international diversifizierte Portfolios keine bessere Performance an den Tag legten als rein schweizerische." Denn in Franken umgerechnet habe der Schweizer Aktienmarkt in den letzten 20 Jahren besser abgeschnitten als die US-Börsen.

Ein Hauptgrund dafür sei die historisch starke Heimwährung. Auch 2020 rechnet Raiffeisen mit einem starken Schweizer Franken.

jb/rw