BERLIN (dpa-AFX) - Arzneimittel gegen seltene Krankheiten sind zwar teuer, bringen aber nach Ansicht der Gesetzlichen Krankenkassen nur selten wirkliche Verbesserungen. Anders als bei den übrigen Medikamenten werde sogenannten Orphan Drugs ohne vorherige Prüfung von vorneherein ein Zusatznutzen unterstellt, dem diese tatsächlich nur in sehr wenigen Fällen gerecht würden, erklärte der Spitzenverband der Kassen am Donnerstag in Berlin. Der Verband berief sich dabei auf eine Untersuchung der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses im Gesundheitswesen zum Zusatznutzen neuer Arzneimittel von 2011 bis Mitte Dezember 2015.

Danach stellte der Bundesausschuss für knapp die Hälfte der Patientengruppen (47 Prozent) bei Arzneimitteln gegen seltene Krankheiten einen "nicht quantifizierbaren" Zusatznutzen fest. "Das bedeutet: Die wissenschaftliche Datenbasis ist nicht ausreichend, um das Ausmaß des Zusatznutzens zu beurteilen." Bei anderen Arzneimitteln falle das Ergebnis nur bei vier Prozent derart negativ aus. Lediglich rund sechs Prozent der Medikamente gegen seltene Krankheiten hätten immerhin einen "beträchtlichen" Zusatznutzen. Die höchste Stufe, ein "erheblicher Zusatznutzen", erreiche keines der Präparate.

Eine Ursache für das vergleichsweise schlechte Abschneiden von Arzneimitteln gegen seltene Leiden sieht der GKV-Spitzenverband entsprechend in den vom Gesetzgeber stark herabgesetzten Zulassungsanforderungen. Erst wenn der Umsatz eines Arzneimittels gegen seltene Krankheiten 50 Millionen Euro übersteige, prüfe der Bundesausschuss, ob tatsächlich ein Zusatznutzen gegenüber den auf dem Markt befindlichen Präparaten festzustellen sei.

Der stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Verbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, erklärte, aus Patientensicht bestehe auch bei Arzneimitteln gegen seltene Leiden das Bedürfnis nach umfassender Information sowie Bewertung von Nutzen und Risiken. Diesem Anspruch werde man nicht gerecht, wenn der Bundesausschuss einem Arzneimittel sogar dann einen Zusatznutzen aussprechen müsse, "wenn Zweifel am Nutzen bestehen und schwere Nebenwirkungen gemeldet werden"./rm/DP/she