Kapitaldruck schlägt Rezession - Immobilien auch im Krisenjahr 2020
Fels in der Brandung
Frankfurt (ots) - Neben der alles überschattenden Corona-Pandemie gab es
zumindest zwei weitere Ereignisse, die nicht nur die Gemüter, sondern auch ganze
Gesellschaften, Politik und Wirtschaft bewegten: Die amerikanische
Präsidentschaftswahl und der endlich vollzogene Brexit. Wenn der neue
US-Präsident die Regierungsgeschäfte am 20. Januar 2021 übernimmt, dürfte in
den
Dialogen mit der noch immer größten Volkswirtschaft der Welt wieder mehr
Verlässlichkeit und Kooperationswille einkehren. Und dass kurz vor Jahresende
2020 doch noch eine Vereinbarung zwischen der EU und Großbritannien zum Brexit
zustande gekommen ist, beendet schier endlose Debatten und bringt Klarheit in
die politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten Europas.

"Gerade für die exportorientierte und auf einen funktionierenden globalen Handel
ausgerichtete deutsche Wirtschaft sind das Hoffnungsschimmer am Ende des
Tunnels", so Jan Eckert , Head of Capital Markets JLL Germany, Austria and
Switzerland. Eckert weiter: "Dennoch bleibt die Großwetterlage angesichts der
aktuellen Corona-Lockdowns in vielen Ländern zunächst noch labil. Deshalb werden
Regierungen und Notenbanken rund um den Globus in einer Kombination aus extrem
niedrigen Zinsen und enormen Ausgabenprogrammen die Konjunktur anzukurbeln
versuchen. Erst nach einer realen Eindämmung des Infektionsgeschehens werden
diesseits und jenseits des Atlantiks die Konjunkturpakete zurückgefahren.
Trotzdem werden die Notenbanken die Phase extrem niedriger Zinsen auch dann noch
fortführen, weil sich zunächst ein nachhaltiger konjunktureller
Stabilisierungseffekt eingestellt haben muss, um Rückschläge zu verhindern.
Insofern bleibt abzuwarten, wie stark dieser Cocktail aus niedrigen Zinsen und
wieder erstarkender Wirtschaft wirken wird, Nachholeffekte in Bezug auf
Investitions- und Konsumausgaben der Verbraucher und Unternehmen mit zumindest
temporär wieder anziehenden Inflationsraten nicht ausgeschlossen."

"In der Rückschau auf 2020 bleibt festzuhalten, dass sich Anlagen in Immobilien
als stabiles Investment für private und institutionelle Investoren erwiesen
haben. Ob das auch 2021 so bleiben wird, muss zumindest mit einem Fragezeichen
versehen werden", so Jan Eckert . Der Investmentexperte weiter: "Wir gehen aber
auch 2021 von einer soliden Liquidität der Transaktionsmärkte aus. Das
extrapolierte Mietpreiswachstum der Vor-Covid-Zeit, vor allem im Büro- und
Einzelhandelssektor, dürfte sich allerdings nicht mehr im Pricing von
Transaktionen abbilden lassen. Die derzeitige Nachfrage und
Mietpreisbereitschaft von Mietern sowie steigende Leerstände, führt bei
Investoren zu einer gewissen Skepsis und Zurückhaltung bei der Bewertung von
Potentialen. Wir sind aber optimistisch, dass sich die konjunkturellen
Rahmendaten in der zweiten Jahreshälfte soweit aufhellen werden, dass
Unternehmen Umzugs- und Expansionspläne wieder aufnehmen und so die Tendenz
sinkender Vermietungsumsätze gestoppt werden wird."

Transaktionsvolumen im Jahresvergleich nur leicht im Minus

Die schon zum Ende des dritten Quartals ausgemachte rege Aktivität auf dem
deutschen Investmentmarkt hat sich auch im letzten Quartal fortgesetzt. " Mit
einem gesamten Transaktionsvolumen* in Höhe von rund 81,6 Mrd. Euro (inklusive
Living) schließt das 'Krisenjahr' 2020 nur um rund 11 Prozent unter dem
Vorjahreswert", so Jan Eckert. Und Helge Scheunemann , Head of Research JLL
Germany, ergänzt: "Dennoch lässt der Blick auf die die einzelnen Quartale
erkennen, dass der traditionelle Jahresendspurt sich zwar bemerkbar gemacht hat,
aber weniger dynamisch ausgefallen war."

Das Transaktionsvolumen der Monate Oktober bis Dezember summierte sich zwar
immerhin auf 23,2 Mrd. Euro und damit auf über 28 Prozent des Jahresergebnisses,
reichte aber nicht an das vierte Quartal des Vorjahres und auch nicht an das
Auftaktquartal 2020 heran, beide jeweils noch von der Pandemie unbelastet.
Bemerkenswert ist, dass 2020 mit über 1.700 erfassten Einzel- und
Portfoliotransaktionen mehr Abschlüsse generiert wurden als 2019. Das
durchschnittlich investierte Volumen ist damit mit rund 48 Mio. Euro pro
Transaktion zwar nahezu konstant geblieben. Die Analyse zeigt aber auch, dass
vor allem große Transaktionen im dreistelligen Millionen-Euro-Bereich um 35
Prozent in Bezug auf Anzahl und Volumen signifikant gesunken sind, eher
geschuldet einem geringeren Angebot in diesem Größensegment als einem mangelnden
Käuferinteresse.

"Kapitaldruck schlägt Rezession", bringt Scheunemann das Investmentjahr 2020 auf
den Punkt und fährt fort: "Zusammen mit den langfristig niedrigen Zinsen ist der
anhaltende Kapitaldruck nach wie vor die Triebfeder für Immobilien-Investments.
Hinzu kommt, dass zahlreiche institutionelle Investoren ihre jeweiligen
Immobilienquoten erhöht haben und hieraus zusätzliche Nachfrage generiert wurde.
Und vor allem Portfolios waren begehrt, ca. 37,6 Mrd. Euro wurden in
Paketverkäufe oder Unternehmensübernahmen investiert und damit sogar 7 Prozent
mehr als noch 2019."

Insbesondere Core-Investments laufen nach wie vor gut. Diese Produkte finden
auch trotz weiter steigender Preisen genügend Abnehmer. "Dagegen gilt bei Value
Add - und Core plus - Produkten zunächst die Maxime: Abwarten. Denn hier erweist
sich die Nachfrage als schwierig. Oftmals passt das Pricing zwischen Verkäufer
und Käufer nicht oder es wird von Seiten der Banken keine Finanzierung
bereitgestellt. Banken sind diesbezüglich grundsätzlich restriktiver, sie
stellen höhere Anforderungen an Eigenkapital und verlangen entsprechende
Vorvermietungsquoten bei Projekten, was angesichts der Nachfrageschwäche am
Büro-Vermietungsmarkt immer schwerer zu realisieren ist", erläutert Jan Eckert .

Living mit höchstem Transaktionsvolumen - Investments in Büroimmobilien ziehen
wieder an - Logistik etabliert sich als werthaltige Assetklasse

Risiken werden derzeit eher gemieden - der Fokus richtet sich in Bezug auf die
Segmente mehr und mehr auf krisenresistente Assets (Living, Logistik,
Core-Offices, Einzelhandelsimmobilien mit Lebensmittelgeschäften). "Hinzu kommt
ein erhöhtes Interesse an alternativen Nutzungsarten wie Datencenter oder
Gesundheitsimmobilien. Diese sind und werden aber Nischen bleiben und sind nicht
für alle Investoren eine Option", so Helge Scheunemann .

Mit ca. 25,2 Mrd. Euro (31 %) floss das Gros des investierten Kapitals in die
Assetklasse Living mit demgrößten Einzelabschluss des Jahres, die bereits im
ersten Quartal vollzogene 90-prozentige Übernahme des Wohnungskonzerns Adler
durch Ado. Knapp hinter Living liegen die Büroimmobilien mit einem Anteil von 30
Prozent (24,5 Mrd. Euro). "Hier hat sich der Jahresendspurt besonders bemerkbar
gemacht. 41 Prozent des Jahresvolumens wurden allein in den letzten drei Monaten
generiert, unter anderem mit den Verkäufen des Silberturms und des
Trading-Centers in Frankfurt mit zusammen rund 1,2 Mrd. Euro", erläutert
Scheunemann und fährt fort: " Ist das ein Zeichen von uneingeschränktem
Vertrauen in diese Assetklasse? Oder schlicht die Nutzung von guten
Kaufgelegenheiten? Aus unserer Sicht wird sich eine Antwort erst im
Jahresverlauf 2021 zeigen, wenn in den Unternehmensetagen zum einen die Weichen
gestellt werden, um hybride Arbeitsmodelle zu implementieren, je nach Branche
und Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Resultaten. Und wenn zum anderen die
aktuelle Nachfragedelle an den Vermietungsmärkten zumindest ihren Boden gefunden
haben wird. Klar ist aber: das Büro wird weiterleben. Ein Mehr an Home Office
oder Remote Working geht nicht zwangsläufig mit weniger benötigten Quadratmetern
in Bürogebäuden einher. Qualitative Ausstattungs- und Wohlfühlmerkmale
erlangen
zudem eine höhere Bedeutung. Diese Qualitätsoffensive wird die Preise für
Büroimmobilien zumindest stabil halten. Und für ausgewählte Top-Lagen rechnen
wir sogar mit weiter sinkenden Renditen."

Steigende Preise kennzeichnen auch nach wie vor Immobilien der stark
nachgefragten Logistikimmobilien. Hier wurden 2020 mehr als 8,7 Mrd. Euro
investiert, der Anteil dieser Assetklasse stieg damit auf rund 11 Prozent und
übertraf damit das Vorjahresvolumen um 2 Mrd. Euro. Selbst der bisherige
Rekordwert aus dem Jahr 2017 konnte knapp übertroffen werden. "Dahinter stehen
mittel- und langfristig stabile Nutzermärkte sowie zusätzlich verstärkend
wirkende strukturelle Trends wie Digitalisierung und Wachstum des
Online-Handels.

Der Trend zu mehr Online-Shopping hat sich auch im letzten Quartal weiter
verfestigt und treibt die Nachfrage von Händlern und E-Commerce-Anbietern nach
regionalen und lokalen Verteilungszentren. Wir schätzen, dass für jede Milliarde
mehr an Online-Umsätzen zusätzliche Logistikfläche von 70.000 m²
benötigt wird.
Der größte Abschluss des Jahres ist mit über 500 Mio. Euro der Erwerb eines
deutschlandweiten Portfolios mit 14 Objekten durch AEW Europe von der Patrizia
AG", erläutert Helge Scheunemann .

Mit über 10 Prozent Anteil und investierten 8,5 Mrd. Euro erfreuen sich
mischgenutzte Immobilien oder Portfolios einer immer größer werdenden
Beliebtheit bei Investoren. "Sie erfüllen den Wunsch der Investoren nach
Differenzierung und sind Spiegelbild des Trends von "Working, Living und
Consumption" unter einem Dach oder innerhalb eines zusammenhängenden Quartiers",
so Eckert .

Für Hotel- und Einzelhandelsimmobilien bleibt das Umfeld bis weit in das nächste
Jahr hinein dagegen herausfordernd. Insbesondere die nochmals verstärkten
Reisebeschränkungen und die jüngsten Lockdown-Maßnahmen setzen den
Unternehmen
dieser Sektoren deutlich zu. Für die betroffenen Immobilien werden
Alternativnutzungen gesucht und unterstützen den Trend hin zu hybriden
Immobilien. Der Anteil am gesamten Transaktionsvolumen liegt für Hotelimmobilien
mit rund 2 Mrd. Euro bei nur etwas über 2 Prozent. Das Transaktionsvolumen für
Einzelhandels-immobilien erreichte in der Jahresbilanz immerhin 10,4 Mrd. Euro,
der Rückgang gegenüber dem Vorjahr lag bei lediglich 5 Prozent. Innerhalb des
Sektors gibt es eine starke Differenzierung, die auch durch die aktuellen sehr
positiven Einzelhandelsumsatzzahlen des Statistischen Bundesamts für 2020
untermauert wird. Nach wie vor der überwiegende Teil entfällt mit 5,7 Mrd. Euro
auf Fachmärkte, Fachmarktzentren oder Supermärkte und Discounter.

Transaktionsvolumen in den Big 7 sinkt, nur Hamburg im Plus

In der Aggregation entfällt ein Transaktionsvolumen von knapp 40 Mrd. Euro auf
die Big 7 (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München. Köln und
Stuttgart).
Das ist ein Anteil von 49 Prozent am gesamtdeutschen Transaktionsvolumen und ein
Minus von 25 Prozent gegenüber dem Vorjahresvolumen. Das relative Minus hat sich
damit im letzten Quartal 2020 noch einmal vergrößert, was andererseits bedeutet,
dass das Interesse für Produkte und Investitionen außerhalb der etablierten
Hochburgen weiter zugenommen hat. Und das zeigt sich auch in den Zahlen: 41,7
Mrd. Euro wurden 2020 nicht in einer der Big 7 investiert, das entspricht einem
Plus von 7 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Weiterhin als einzige der sieben Hochburgen liegt Hamburg im Vergleich zum
Vorjahr im Plus. Rund 5,6 Mrd. Euro wurden in der Hansestadt investiert und
damit 24 Prozent mehr als noch 2019. In allen anderen Städten lag das Minus
zwischen 18 Prozent in Düsseldorf und 57 Prozent in Stuttgart.

Spitzenrenditen differenzieren sich weiter aus

Auch in den letzten drei Monaten des Jahres hat sich bei den Renditen wenig
verändert; es zeigen sich weiterhin nur vereinzelt Tendenzen zu steigenden
Renditen. "Dies betrifft vor allem die Sektoren und Bereiche, wo angesichts der
Pandemie Mietausfälle drohen und in der Folge Wertkorrekturen zu erwarten sind",
erläutert Scheunemann . Und weiter: "So zeigen sich leichte Aufwärtstendenzen
bei den Renditen für innerstädtische Geschäftshäuser . Diese liegen in
der
Aggregation der Big 7 nun bei 2,91 Prozent und damit sieben Basispunkte höher
als noch vor einem Jahr. Für absolute Top-Objekte in den allerbesten Lagen
sollten die Renditen 2021 zumindest stabil bleiben, bei allen anderen Produkten
sehen wir einen weiteren Renditeanstieg, der umso ausgeprägter sein dürfte, je
länger der stationäre und nicht-systemrelevante Einzelhandel geschlossen bleibt.
Das gilt auch für Shopping-Center , deren Spitzenrenditen im Jahresverlauf 2020
um 35 Basispunkte auf nun 4,85 Prozent zugelegt haben".

Der "andere" und weiterhin geöffnete Einzelhandel zeigt allerdings ein ganz
anderes Bild. Hier stehen die Renditen nach wie vor unter Druck: für Discounter
sanken die Renditen weiter auf aktuell 4,60 Prozent, das sind im Vergleich zum
dritten Quartal nochmals 20 Basispunkte weniger. Noch teurer sind Supermärkte ,
hier liegen die Spitzenrenditen bei nach wie vor 4,00 Prozent.

Im Bürobereich liegt die gemittelte Spitzenrendite zum Jahresende bei 2,81
Prozent und damit um 12 Basispunkte niedriger als Ende 2019. "In allen
Hochburgen außer Berlin gaben die Spitzenwerte in den vergangenen zwölf Monaten
nochmals leicht nach und sind damit Spiegelbild der Investorennachfrage nach
vollvermieteten Core-Immobilien. Hier sehen wir auch für 2021 keine
Aufwärtstendenzen, im Gegenteil, bei anhaltend hoher Nachfrage könnten sich die
Renditen sogar um nochmals 10 Basispunkte reduzieren", so Helge Scheunemann .

Den erwartet größten Renditesprung im Jahr 2020 vollzogen Logistikimmobilien .
Im 12-Monatsvergleich sanken die Renditen um 37 Basispunkte auf nun 3,38 Prozent
im Mittel über alle Big 7 Regionen, Tendenz für 2021 weiter fallend.

Jan Eckert abschließend: "Was bleibt als Fazit? Der Immobilieninvestmentmarkt
hat das Krisenjahr 2020 in Summe weitestgehend unbeschadet überstanden. Die
Fremdfinanzierung wurde herausfordernder, die Banken müssen eine gesteigerte
Risikovorsorge betreiben und entsprechend mehr Kapital hierfür zurückhalten. Das
mindert die Möglichkeiten der Finanzierung insbesondere risikobehafteter
Engagements. Im Hinblick auf die Investorennachfrage wird sich die begonnene
Ausdifferenzierung zwischen den Assetklassen und auch innerhalb der Assetklassen
bei Betrachtung des individuellen Risikos einer Investition 2021 fortsetzen.
Aber dank des hohen Kapitaldrucks und des niedrigen Zinsniveaus werden
Investoren unverändert stark nach Anlagegelegenheiten auf dem deutschen
Immobilienmarkt suchen."

* Das Transaktionsvolumen umfasst Büro-, Einzelhandels-, Logistik - und
Industrieimmobilien, Hotels, Grundstücke, Spezialimmobilien, gemischt genutzte
Immobilien sowie die Asset-Klasse Living mit Mehrfamilienhäusern und
Wohnportfolios ab 10 Wohneinheiten und 75 Prozent Wohnnutzung, Verkauf von
Unternehmensanteilen (ohne Börsengänge), Appartementhäuser, Studentenwohnen,
Senioren-/Pflegeimmobilien und Kliniken

Pressekontakt:

Dorothea Koch, Tel. 069 2003 1007, mailto:dorothea.koch@eu.jll.com

Weiteres Material: http://presseportal.de/pm/62984/4806977
OTS:               Jones Lang LaSalle SE (JLL)