Zahlungsmoral 2017 leicht schwächer - Trotz Konjunktur-Rekorden mehr
als 78.000 Verbraucherinsolvenzen - Inkassounternehmen: "Es gibt einen
Sockel an harter Überschuldung"
   Berlin (ots) - Die Zahlungsmoral fällt zum Jahreswechsel nur knapp
unter ihren Rekordstand vom Sommer 2016. Jetzt melden 65 Prozent der 
Inkassounternehmen, dass Rechnungen genauso gut wie noch vor sechs 
Monaten beglichen werden. 21 Prozent stellen sogar eine Steigerung 
fest. Grund ist die gute Konjunktur. Allerdings hatten noch im Sommer
90 Prozent der befragten Mitglieder des Bundesverbands Deutscher 
Inkasso-Unternehmen e.V. (BDIU) eine gleichbleibende bis bessere 
Rechnungstreue gemeldet.

   Bei den Firmenpleiten verlangsamt sich der Positivtrend. 2016 
wurden rund 22.000 Unternehmen zahlungsunfähig - minus fünf Prozent 
und der siebte jährliche Rückgang in Folge. 2017 rechnet die 
Inkassobranche aber nur noch mit einer moderaten Verringerung auf 
21.500 Fälle. Schon in den letzten zwölf Monaten waren die 
Gläubigerschäden durch Insolvenzen um fast zwei Drittel gestiegen. 
Der Grund: Es traf mehr wirtschaftlich bedeutende Unternehmen. 
27 Prozent der Inkassofirmen erwarten zudem, dass die Zahlungsmoral 
schon in den nächsten Monaten schlechter wird.

   BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd: "Wir wissen nicht, wie lange die 
Puste beim Aufschwung noch hält - drängende Fragen, die sich stellen,
sind unter anderem: Wie hart wird der Brexit und kann unsere 
Wirtschaft die Folgen eines solchen Bebens abfedern? Welche 
Auswirkungen auf die Konkurrenzfähigkeit unserer exportorientierten 
Unternehmen wird die Präsidentschaft von Donald Trump haben? Sollte 
es tatsächlich auf mehr Protektionismus und Einschränkungen für den 
freien Handel hinauslaufen, wären das denkbar schlechte Vorzeichen 
für ein weiteres Wachstum."

   Aktuell leidet vor allem der Onlinehandel unter Zahlungsmuffeln. 
48 Prozent der Inkassounternehmen melden das. Weitere Branchen mit 
schlecht zahlenden Kunden sind  das Handwerk (eine Erfahrung von 
39 Prozent der Inkassounternehmen), die Dienstleistungsbranche 
allgemein (36) sowie Fitnessstudios (34 Prozent). Deutlich verbessert
hat sich die Zahlungsmoral bei Energieversorgern. Noch vor einem Jahr
meldeten fast die Hälfte (47 Prozent) der Inkassounternehmen, dass 
diese Branche Probleme mit der Rechnungstreue der Kunden hat. Jetzt 
sind es nur noch 35 Prozent. Nur 42 Prozent der Inkassounternehmen 
berichten, dass Arbeitslosigkeit der Grund ist, warum private 
Verbraucher Zahlungen nicht leisten. 2009, auf dem Höhepunkt der 
Finanzkrise, lag dieser Wert noch bei 83 Prozent.

   Gegen den Trend entwickelt sich die Zahlungsmoral der öffentlichen
Hand. 89 Prozent berichten, dass diese unverändert schlecht ist. 
Pedd: "Die Steuereinnahmen sprudeln, und dennoch müssen Handwerker 
und Baufirmen, die Aufträge etwa für Städte und Gemeinden ausführen, 
um jeden Cent ihrer Rechnungen bangen. Das ist paradox. Die 
öffentliche Hand ist ein wichtiger Auftraggeber, und sie hat eine 
Vorbildfunktion. Diese sollte sie auch beim Zahlungsverhalten 
ausüben."

   Kaum Rückgang bei Verbraucherinsolvenzen

   Nicht ganz so deutlich wie bei den Unternehmen fällt der Rückgang 
bei den Verbraucherinsolvenzen aus. Deren Zahl sank 2016 um nur zwei 
Prozent auf 78.200. "Es scheint, als gäbe es hier einen Sockel an 
harter Überschuldung, der sich auch durch eine optimal laufende 
Konjunktur nicht abbauen lässt", erklärt Marion Kremer, 
Vizepräsidentin des BDIU. Für 2017 erwartet die Branche, wenn 
überhaupt, nur einen moderaten Rückgang der Privatpleiten.

   Hauptgrund warum private Schuldner Rechnungen nicht bezahlen, ist 
Überschuldung. Viele Inkassounternehmen beobachten auch ein 
unkontrolliertes Konsumverhalten als Nichtzahlgrund. Kremer: "Das 
betrifft vor allem jüngere Schuldner." Die BDIU-Vizepräsidentin 
glaubt, dass eine bessere finanzielle Bildung von Schülern und 
Verbrauchern präventiv helfen könnte.

   Weizsäcker Stiftung hilft Überschuldeten

   Wichtig sei aber auch die Unterstützung durch Institutionen wie 
die Marianne von Weizsäcker Stiftung. Die Organisation wurde bereits 
vor gut 25 Jahren von der Ehefrau des damaligen Bundespräsidenten ins
Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, ehemals suchtkranke Menschen bei der 
beruflichen und sozialen Integration zu unterstützen. Betroffene 
haben im Schnitt Schulden in Höhe von rund 10.000 Euro. Bis heute hat
sie über 5.000 Personen einen wirtschaftlichen Neuanfang ermöglicht.

   "Wir verhandeln mit den Gläubigern unserer Klienten und versuchen 
dabei zunächst, die Höhe der Forderungen zu reduzieren, abgestimmt 
auf die maximale Leistungsfähigkeit der Betroffenen", erklärt Rita 
Hornung, Geschäftsführerin der Stiftung. "Für diese Vergleichssumme 
stellt die Stiftung entsprechende Darlehen zur Verfügung, sodass die 
Betroffenen nur noch eine Rate auf überschaubare Zeit an nur einen 
einzigen Gläubiger - also die Weizsäcker Stiftung - zahlen müssen."

   Auch für Gläubiger sind solche Entschuldungen sinnvoll, sagt 
Hornung - obwohl diese dabei auf einen Teil ihrer Forderungen 
verzichten müssen. BDIU-Vizepräsidentin Marion Kremer stimmt zu: 
"Außergerichtliche Lösungen sind vergleichsweise unbürokratisch und 
vor allem lassen sie sich in einem zeitlich überschaubaren Rahmen 
realisieren - ein Insolvenzverfahren dagegen dauert bis zu sechs 
Jahre."

   Weizsäcker Stiftung und BDIU loben dabei die Arbeit der 
Stephan-Kommission. "Die Kommission ist ein Pilotprojekt", erklärt 
Rita Hornung, "das dazu beitragen soll, auf beiden Seiten das 
Verständnis für die Situation des jeweiligen Gegenübers zu stärken." 
Gemeinsam erörtern Vertreter von Gläubigern und Schuldnerberatern 
Wege für bessere außergerichtliche Einigungen. "Dabei auf einen 
gemeinsamen Nenner zu kommen, ist nicht immer einfach, und die Lösung
muss auch nicht zwangsläufig in der Mitte liegen. Aber die Erfahrung 
zeigt, dass außergerichtliche Einigungen mit verbindlichen 
Verpflichtungen für beide Seiten die besten Ergebnisse bringen."

   BDIU-Präsidentin Kirsten Pedd: "Die Überschuldung der privaten 
Haushalte ist ein Hemmnis für die Wirtschaftskraft in diesem Land. 
Wir - Wirtschaft, Verbraucher und die Politik - müssen gemeinsam mehr
dafür tun, dass diese Überschuldung abgebaut wird. Die Schuldner von 
heute können die guten Kunden von morgen werden."

   Alle Ergebnisse, Grafiken und Analysen zur Inkasso-Umfrage unter:

   http://www.inkasso.de/presse/zahlungsmoral

OTS:              Bundesverband Deutscher Inkasso-Unternehmen BDIU
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Pressekontakt:
BDIU - Pressesprecher: Marco Weber - weber@inkasso.de