Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Der überraschende Anstieg der Euroraum-Inflation im Dezember auf 5,0 Prozent ändert aus Sicht von EZB-Chefvolkswirt Philip Lane noch nichts an den Erwartungen der Europäischen Zentralbank (EZB) für die mittelfristige Inflationsentwicklung. "Nicht nur wird die Inflation in diesem Jahr zurückgehen, sie wird sich auch 2023 und 2024 unter unserem Zielwert einpendeln", sagte Lane in einem Interview mit der Zeitung Il Sole 24 Ore. Dies sei nach wie vor die Ansicht der EZB. "Im Laufe des Jahres werden wir über mehr Daten verfügen und die Situation weiter bewerten", fügte er hinzu.

Im Dezember prognostizierte die EZB für 2023 und 2024 Inflationsraten von 1,8 Prozent. "Die wirtschaftliche Erholung in den Jahren 2023 und 2024 wird die Inflation näher an unser Ziel bringen", sagte Lane. Neue Prognosen werden im März veröffentlicht. Laut der aktuellen Forward Guidance bleiben die Leitzinsen auf ihrem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau, ehe nicht folgende Bedingungen erfüllt sind:

a) der Rat erkennt einen Anstieg der Inflation auf 2 Prozent deutlich vor Ende des Prognosezeitraums (derzeit 2024)

b) die Inflation verspricht auch im Rest des Prognosezeitraums dort zu bleiben

c) die Kerninflation lässt stabil 2 Prozent Inflation erwarten

Lane zufolge spielt beim letzten Kriterium, der Kerninflation, der Lohndruck die entscheidende Rolle. Derzeit sei nicht erkennbar, dass die hohe aktuelle Inflation zu höheren Lohnabschlüssen führe, sagte er. Es sei daher unwahrscheinlich, dass die Zinsen, wie an den Finanzmärkten eingepreist, in diesem Jahr angehoben würden.

Gleichwohl müssten sich die Unternehmen natürlich darauf vorbereiten, dass die kurz- und langfristigen Zinsen irgendwann steigen würden. "Viele Institutionen werden dieses Risiko bereits in ihrer Planung berücksichtigt haben", sagte Lane.

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January 11, 2022 03:46 ET (08:46 GMT)