Von Andreas Kißler

DÜSSELDORF/BERLIN (Dow Jones)--Das Risiko, dass die deutsche Wirtschaft in nächster Zeit erneut in eine Rezession gerät, ist trotz der aktuellen Verlängerung und teilweisen Verschärfung des Teil-Lockdowns gesunken. Das signalisiert der Konjunkturindikator des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. In der Drei-Monats-Prognose für Januar bis Ende März zeige der Indikator eine mittlere Rezessionswahrscheinlichkeit von 10,4 Prozent an - nach 20,9 Prozent im Dezember.

Zudem habe sich in den vergangenen Wochen auch die statistische Streuung im Indikator reduziert, die die Verunsicherung der Wirtschaftsakteure widerspiegelt. Sie ist den Angaben zufolge mit aktuell 10,7 Prozent aber weiterhin vergleichsweise hoch und deutet deutlich darauf hin, dass die konjunkturelle Lage in den kommenden Monaten weiterhin stark von der Corona-Krise geprägt sein wird.

Der nach dem Ampelsystem arbeitende Indikator zeigt weiter "gelb-grün", was für eine erhöhte konjunkturelle Unsicherheit steht. In der Gesamtschau der derzeit verfügbaren Daten erscheint nach Analyse des IMK aber "ein Rückfall in eine Rezession, gemessen an der üblichen Definition zweier aufeinanderfolgender Quartale mit schrumpfendem Bruttoinlandsprodukt (BIP), unwahrscheinlich".

Der Rückgang der Rezessionswahrscheinlichkeit beruhe jeweils zur Hälfte auf positiven realwirtschaftlichen Trends der letzten Zeit und auf einer Aufhellung von erwartungsbezogenen Frühindikatoren wie dem Ifo-Geschäftsklimaindex oder zukunftsgerichteten Finanzmarktindikatoren, erklärte IMK-Experte Thomas Theobald. So fielen die Erwartungen vieler Wirtschaftsakteure positiver aus, nicht zuletzt, weil nach dem Regierungswechsel in den USA am 20. Januar mit einem kräftigeren wirtschaftspolitischen Impuls aus Übersee zu rechnen sei, der auch der deutschen Exportwirtschaft zugutekommen dürfte.

Zudem hätten in Industrie und Bauhauptgewerbe sowohl Produktion als auch Auftragseingänge zuletzt kontinuierlich zugelegt. Schließlich sei die Zinsdifferenz zwischen Unternehmens- und Staatsanleihen so niedrig wie zuletzt Ende 2017, was auf günstige Finanzierungsbedingungen für Unternehmen hindeute.

Voraussetzung dafür, dass die positiven Erwartungen eintreffen, ist laut IMK allerdings, dass es dank staatlicher Unterstützungsmaßnahmen weiterhin gelingt, eine Welle von Unternehmensinsolvenzen zu verhindern, insbesondere in den stark betroffenen Sektoren des Freizeit- und Gastronomiegewerbes sowie der personennahen Dienstleistungen.

"Es ist weiterhin sehr wichtig, dass die Pandemie nicht stärker auf den Arbeitsmarkt und die Kaufkraft weiter Bevölkerungskreise durchschlägt", sagte der wissenschaftliche Direktor des IMK, Sebastian Dullien. Das Institut gehe in seiner aktuellen Prognose davon aus, dass sich die deutsche Konjunktur erst ab dem zweiten Quartal dynamisch erholen wird, wenn eine zunehmende Zahl von Menschen weltweit gegen Covid-19 geimpft ist.

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January 14, 2021 03:49 ET (08:49 GMT)