FRANKFURT (dpa-AFX) - In der Corona-Pandemie ist das Ansehen von Pflegekräften gestiegen, der Beruf ist aus Sicht eines Gesundheitsexperten aber noch weniger attraktiv als zuvor. Damit Deutschland ausreichend viele Schwestern und Pfleger bekomme, müsse sich viel ändern, sagte Prof. Thomas Busse der Deutschen Presse-Agentur. "Aber diese Veränderungen sind kein Sprint, sondern ein Marathon."

Busse ist Direktor des Zentrums für Gesundheitswirtschaft und -recht der University of Applied Sciences in Frankfurt. "Mehr Menschen wissen jetzt, wie wichtig Pflege ist" sagt Busse. "Aber die Pflegenden haben nichts davon." Es reiche nicht, jedem 1000 Euro in die Hand zu drücken. Statt kurzfristiger Prämien müsse es langfristige Änderungen geben.

Punkt eins: ein höheres Gehalt. "Die Schere zwischen den Gehältern der Ärzte und den Gehältern der Pflegekräfte geht immer weiter auf. Bereitschaftsdienste sind steuerlich nicht lukrativ", sagte Busse - das Gegenteil müsste geschehen. Punkt zwei: Entlastung von pflegefremden Tätigkeiten. "Die Dokumentation wird immer umfangreicher, das bleibt in der Regel an den Pflegekräften hängen." Punkt drei: moderne Technik nutzen. "Nehmen Sie diese Klingel über dem Bett - das könnte man heute doch besser organisieren." Punkt vier: mehr Eigenverantwortung. "Ärzte und Pflegekräften sollten auf Augenhöhe kommunizieren können."

Dass sich viele Pflegekräfte nicht wertgeschätzt fühlen, liegt Busse zufolge auch daran, "dass Krankenhäuser immer noch extrem hierarchische Gebilde sind". Zudem müssten Schwestern und Pfleger oft seelsorgerische Aufgaben übernehmen. "Sie sind ja oft die einzigen, mit denen der Patient sprechen kann." Busse schlägt vor, "Stationssozialarbeiter" einzuführen, um die Pflegekräfte zu entlasten.

Um den Pflegeberuf für Jüngere attraktiv zu machen, müsse sich nicht nur der Beruf selbst wandeln, sondern auch sein Bild in der Öffentlichkeit, sagte Busse. "Wir müssen herausstellen, dass das ein schöner, erfüllender, interessanter Beruf ist." Die Corona-Krise hat das gerade nicht zu Tage gebracht - eher das Gegenteil: "Die Pflegekräfte sind im Herbst relativ ausgepowert in die zweite Welle hineingegangen", sagt Busse. "Man hat den Sommer nicht genutzt, um die Pflegenden zu entlasten und auf den Winter vorzubereiten, sondern die im Frühjahr verschobenen Operationen nachgeholt - ein Zwang aus der Fallpauschalen-Finanzierung."/sat/DP/zb