Berlin/Brüssel (Reuters) - Die EU-Kommission will angesichts des Wettbewerbsdrucks aus den USA und China klimafreundliche Technologien in Europa mit ungenutzten Geldern aus dem Corona-Hilfsfonds fördern.

Die Nachrichtenagentur Reuters erhielt am Montag Einblick in den Entwurf eines Maßnahmenkatalogs, den die Kommission am Mittwoch vorstellen soll. Der "Green Deal Industrial Plan" sieht demnach insbesondere keine neuen Schulden vor, zuletzt ein zentraler Streitpunkt zwischen den Mitgliedsstaaten. Als erste Maßnahme soll diesen vielmehr eine stärkere Förderung entsprechender Industrien erlaubt werden. Zudem sollen Gelder aus dem insgesamt 800 Milliarden Euro schweren Corona-Hilfsfonds umgewidmet werden können.

Die "grüne Industrie" - Hersteller von Windturbinen, Solarzellen, Batterien, E-Autos und aus der Wasserstoff-Brache - in Europa soll gegen Konkurrenz etwa aus den USA bestehen können, wo die Regierung 369 Milliarden Dollar für entsprechende Subventionen in die Hand nimmt. Auch China unterstützt einheimische Konzerne massiv. In der EU haben Frankreich, Italien und andere Staaten einen neuen gemeinsamen Geldtopf gefordert, um europäische Gegen-Subventionen zu finanzieren. Mindestens zehn der 27 Mitgliedsstaaten lehnten dies jedoch ab, darunter Deutschland.

Finanzminister Christian Lindner erteilte kurz vor der Reuters-Meldung entsprechenden Plänen eine Absage. "Wir brauchen keine exzessive Ausdehnung von Subventionen in der Europäischen Union", sagte er nach einem Treffen mit EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. Auch Lindner verwies auf ungenutzte Corona-Gelder. Er warnte zudem vor einem Subventionswettlauf mit den USA. Über die Folgen des US-Subventionspaketes müsse verhandelt werden, weswegen eine geplante US-Reise der Wirtschaftsminister aus Deutschland und Frankreich, Robert Habeck und Bruno Le Maire, richtig sei, sagte Lindner. Es dürfe jedoch keinen Handelskrieg mit den USA geben.

Gentiloni sagte auf einer Abendveranstaltung des Jacques Delors Centre in Berlin, das als Inflation Reduction Act (kurz IRA) bekannte US-Gesetz, das unter anderem hohe Steueranreize für Elektroautos und erneuerbare Energien vorsieht, sei für Europa in einem herausfordernden Wettbewerbsumfeld Grund zur Sorge: "Ich denke, wir sollten nicht in einen Subventionswettlauf eintreten", betonte der Italiener. Es gelte, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen und nicht die US-Beihilfepolitik nachzuahmen.

Die Vereinigten Staaten in diesem Streit vor die Welthandelsorganisation zu zerren, hielte er für einen Fehler, sagte Gentiloni. Er setze auf den transatlantischen Dialog. Möglicherweise könnte zum Beispiel der europäische Elektroauto-Sektor genauso behandelt werden wie der aus den US-Handelspartnerländern Kanada und Mexiko. "Wir sehen einigen Spielraum, um hier einige Ziele zu erreichen", fügte er hinzu.

Mit Blick auf die grüne Transformation hat die EU laut Gentiloni einen "Berg von Investitionen" vor sich. Dabei gelte es zunächst, den Mehrwert von Maßnahmen zu ermitteln und dann zu klären, welche Programme gemeinsam finanziert werden sollten. "Lassen Sie uns beim Start anfangen und dann die Ziele und den Bedarf festlegen. Dann kommen wir zur Definition einer möglichen gemeinsamen Finanzierung." Auch mit Blick auf die deutsche Position fügte er hinzu, er wisse, dass mehrere Länder einer weiteren gemeinsamen Finanzierung abgeneigt seien: "Und wir respektieren diese Haltung natürlich völlig."

(Bericht von Bericht von Christian Krämer, Jan Strupczewski, Philip Blenkinsop, Reinhard Becker, geschrieben von Scot W. Stevenson; Redigiert von Birgit Mittwollen.; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)