Frankfurt (Reuters) - Die Bundesbank plädiert wegen anhaltender Inflationsgefahren in den großen Volkswirtschaften für einen umsichtigen Zinskurs in der Geldpolitik.

Während der Pandemie angesammelte Ersparnisse und Aufträge, eine lockere Fiskalpolitik und Industriepolitik-Initiativen hätten die Nachfrage nach Waren, Dienstleistungen und Arbeitskräften gestärkt, teilte die Bundesbank in einem am Dienstag veröffentlichten Aufsatz mit. Einige dieser Faktoren erschwerten nun aber das Erreichen der Inflationsziele der Notenbanken. "Noch immer sind die Arbeitsmärkte stark ausgelastet, das Lohnwachstum lebhaft und insbesondere im Dienstleistungssektor der Preisauftrieb kräftig", hieß es darin. Auch von der Angebotsseite her überwiegen laut Bundesbank inflationäre Risiken.

Vor allem der Preisauftrieb bei Dienstleistungen erweise sich als außerordentlich hartnäckig. Ein wesentlicher Faktor hierfür ist laut Bundesbank ein anhaltend starkes Lohnwachstum. Dieses schlage im arbeitsintensiven Dienstleistungssektor besonders zu Buche. "Hinzu kommt insbesondere im Euroraum eine äußerst verhaltene Produktivitätsentwicklung." Daher schlage das hohe Lohnwachstum fast komplett auf die Lohnstückkosten durch. Mit einem schnellen Abflauen des Lohnwachstums rechnet die Bundesbank nicht. "Angesichts der noch immer stark ausgelasteten Arbeitsmärkte und der erlittenen Reallohneinbußen steht zu vermuten, dass die Lohndynamik nur langsam nachlassen wird." Dies werde voraussichtlich eine schnelle Rückkehr zur Preisstabilität erschweren.

Die Bundesbank wies darauf hin, dass im Euroraum die Inflation im Dienstleistungssektor im Juni immer noch bei über vier Prozent lag und in den USA sogar bei mehr als fünf Prozent. Der Prozess des Inflationsrückgangs verlaufe in dem Sektor langsamer als in der Vergangenheit üblich gewesen sei. Geopolitische Risiken, wie die angespannte Lage im Nahen Osten, bergen den Experten zufolge darüber hinaus bedeutende Aufwärtsrisiken für die Inflation. Für die Geldpolitik heißt das aus Sicht der Bundesbank: "Mögliche weitere Zinssenkungen sollten daher sorgfältig mit Blick auf die aktuelle Datenlage abgewogen werden."

Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Volkswirte erwarten für die anstehende Geldpolitik-Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) an diesem Donnerstag, dass die Währungshüter an den Schlüsselzinsen nicht rütteln werden. Die EZB hatte im Juni die Zinswende vollzogen und erstmals seit Herbst 2019 die Zinsen gesenkt. Sie war damit den USA vorausgeeilt. Dort wartet die Notenbank Federal Reserve noch ab. Am Finanzmarkt wird derzeit erst im September mit einer ersten Zinssenkung der Fed gerechnet.

(Bericht von Frank Siebelt; Redigiert von Sabine Ehrhardt; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)