Nach dem Brexit müssen die wirtschaftspolitischen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien neu definiert werden. Foto: Bernd Kasper/pixelio.de

Die britische Premierministerin Theresa May hat sich in einer Grundsatzrede zum Brexit geäußert. Ihre Ansichten und Pläne über das geplante Ausscheiden des Vereinten Königreiches aus der EU haben ein unterschiedliches Echo hervorgerufen:

'Für uns handelt es sich um einen Präzedenzfall mit unkalkulierbaren Folgen. Wir haben alle keine Erfahrung damit, wenn ein Mitgliedsstaat die EU verlässt. Diese Unklarheit ist Gift für jegliche unternehmerische Entscheidung', sagte BME-Hauptgeschäftsführer Dr. Christoph Feldmann in einer ersten Reaktion auf die May-Rede. Es sei zu befürchten, dass mit dem 'Leave' ein Stein ins Rollen komme und weitere Nationen dem Beispiel Großbritanniens folgen könnten. Geschwächt werde damit auch die Rolle Europas in der Welt. 'Im Gegensatz zu Weltmächten wie den USA oder China sowie anderen aufstrebenden Wirtschaftsräumen wie zum Beispiel ASEAN besteht unser Kontinent aus einer großen Anzahl von relativ kleinen Ländern', betonte Feldmann. Im internationalen Wettbewerb könne Europa nur durch einen starken Zusammenhalt bestehen. 'Einkaufsverantwortliche haben sich nun auf eine lange Phase der Unsicherheit einzustellen, in der Großbritannien neue Handelsvereinbarungen mit der Europäischen Union treffen muss. 'Jede neue Barriere wird sich negativ auf die Planbarkeit und Verlässlichkeit der Supply-Chain-Strukturen auswirken', so Feldmann weiter. Vor allem für englische Unternehmen werde das Ende des Freihandels höhere Kosten bei der Beschaffung von Rohstoffen, Komponenten und anderen Einfuhren verursachen. Die nun beginnende Übergangsphase könne so manche bestehende Lieferbeziehung in Frage stellen; es drohten neue Risiken wie zum Beispiel beim Währungskurs und zusätzliche bürokratische Hürden. 'Einkaufsverantwortliche werden sich deshalb an verschiedene mögliche Szenarien anpassen und Risiken in der Wertschöpfungskette neu bewerten müssen', äußerte Feldmann abschließend.

'Die britische Premierministerin Theresa May hat dargelegt, wie sie sich die Zukunft für Großbritannien außerhalb der EU vorstellt. Allerdings hat sie sich nicht klar dazu geäußert, wie Großbritannien die von ihr gesteckten Ziele erreichen kann', teilte die Commerzbank AG in Frankfurt mit. Im Grunde habe sie einen Wunschzettel mit ihren Zielen für Großbritannien vorgelegt - wie das Ergebnis letztendlich aussehe, werde aber davon abhängen, welche Kompromisse mit der EU erzielt werden können. 'Und in dieser Hinsicht müssen wir jetzt abwarten, wie sich die EU positioniert, um beurteilen zu können, wie realistisch Mays Ziele sind', heißt es bei der Commerzbank weiter.

'Mit Bedauern sehen die Maschinenbauer den Bruch Großbritanniens mit dem EU-Binnenmarkt, den die britische Premierministerin Theresa May nun angekündigt hat. Wir setzen darauf, dass möglichst zeitnah neue Rahmenbedingungen für den künftigen Handel mit Großbritannien geschaffen werden', teilte der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in Frankfurt mit. 'Positiv ist zumindest, dass die Briten endlich aufzeigen, wie sie sich die Zusammenarbeit mit der EU künftig vorstellen. Der Austritt Großbritanniens aus dem Binnenmarkt wird den Handel mit britischen Geschäftspartnern erschweren, aber nicht verhindern. Es liegt an der Politik, den Schaden für die Unternehmen so klein wie möglich zu halten. Weder die EU noch Großbritannien haben ein Interesse daran, den EU-Austritt in einen Rosenkrieg eskalieren zu lassen', sagte VDMA-Präsident Carl Martin Welcker. 'Für die Industrie hat oberste Priorität, in den Verhandlungen die EU und den Binnenmarkt zu verteidigen. Für Europa ist der Brexit ein Weckruf, dass europäische Zusammenarbeit keine Selbstverständlichkeit ist. Europa ist und bleibt die beste Antwort auf einen harten globalen Wettbewerb.' Großbritannien ist laut VDMA-Angaben für den Maschinenbau einer der wichtigsten Auslandsmärkte. Von Januar bis einschließlich Oktober 2016 exportierten deutsche Maschinenbauer Waren im Wert von 6,2 Milliarden Euro in das Vereinte Königreich. Im Jahr 2015 war das Vereinte Königreich viertgrößter Exportmarkt des deutschen Maschinenbaus hinter den USA, China und Frankreich.

'Harter Brexit, weiche Landung?', fragt das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) in einer ersten Stellungnahme. Danach wollen die Briten den harten Brexit: raus aus dem Binnenmarkt und raus aus der Zollunion. Doch auch das müsse nicht das Ende des freien Handels zwischen der EU und Großbritannien bedeuten. Vielmehr sei ein Freihandelsabkommen 3.0 - also einer neuen Generation - denkbar. Dafür müssten aber beide Seiten aufeinander zugehen. Die große Mehrheit der Unternehmen in Deutschland reagierr gelassen auf den drohenden Brexit. Nur rund jedes 50. Unternehmen befürchte starke Produktionseinbußen, wie eine IW-Umfrage zeigt. Die britische Regierung könne in den Austrittsverhandlungen folglich nicht darauf setzen, dass sich die deutsche Wirtschaft für weiche Kompromisse zugunsten der Briten einsetze.

'Die Rede der britischen Premierministerin Theresa May zeigt, dass ein harter Brexit bevorsteht. Dies bedeutet auch einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem europäischen Binnenmarkt. Jetzt herrscht Klarheit', stellte BDI-Präsident Dieter Kempf in Berlin fest. 'Wir als Industrie bleiben geschlossen für klare neue Regeln zwischen EU und dem Vereinigten Königreich. Die EU muss Ihre Einheit gegenüber UK demonstrieren. Für die Politik in Brüssel und Berlin darf es bei den Verhandlungen nach dem Brexit-Referendum nur eine Devise geben: Europa zusammenzuhalten und zu stärken. Die vier Grundfreiheiten der EU sind unverrückbar: Es darf keine Grenzen geben für Waren und Dienstleistungen, Kapital und Arbeitnehmer.' Für die Unternehmen komme es jetzt auf Rechtssicherheit und Transparenz in der Neuordnung der Beziehungen zum Vereinigten Königreich an. Der Schlüssel für Wachstum und Beschäftigung in Europa liege in der EU. 'Dafür brauchen wir vertragliche Regelungen zwischen uns und den Briten', so Kempf weiter.

BME - Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. veröffentlichte diesen Inhalt am 18 Januar 2017 und ist allein verantwortlich für die darin enthaltenen Informationen.
Unverändert und nicht überarbeitet weiter verbreitet am 18 Januar 2017 10:04:04 UTC.

Originaldokumenthttp://www.bme.de/brexit-laesst-noch-viele-fragen-offen-1958/

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