FRANKFURT (dpa-AFX) - Der erneute Kursrutsch in China hat sich am Donnerstag wie ein Lauffeuer auf die Weltbörsen ausgebreitet und auch den Dax mit in die Tiefe gerissen. Der deutsche Leitindex fiel bereits nach dem Auftakt deutlich unter die Marke von 10 000 Punkten und rauschte danach Zug und Zug weiter ab. Gegen Mittag stand der Dax mit 3,15 Prozent im Minus bei 9891,93 Punkten - und damit auf dem Niveau von Anfang Oktober 2015. Selbst die am späten Vormittag veröffentlichten sehr freundlichen Daten aus der Eurozone konnten die Stimmung am hiesigen Markt nur etwas heben.

Hintergrund der anhaltenden Turbulenzen sind die Sorgen vor einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft. Der Dax liegt nun an vier Handelstagen in Folge im Minus. Zusammen mit dem Kurssturz zum Jahresauftakt hat das wichtigste deutsche Börsenbarometer über 8 Prozent an Wert verloren. "Der Einbruch an den Börsen im Fernen Osten trifft den Deutschen Aktienindex zu einem Zeitpunkt, an dem er ohnehin bereits angeschlagen ist", kommentierte Chartexperte Franz-Georg Wenner vom Börsenstatistik-Magazin Index-Radar. "Der Trend war aber auch vorher schon negativ und wird dadurch nur beschleunigt."

Auch für den MDax der mittelgroßen Konzerne ging es am Donnerstag weiter rasant abwärts, er verlor zuletzt 2,90 Prozent auf 19 410,74 Zähler. Der Technologiewerte-Index TecDax knickte um 3,61 Prozent auf 1723,00 Punkte ein. Nur wenig besser sah es an den Europa-Börsen aus: Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 rutschte um 2,74 Prozent auf 3053,30 Punkte ab.

Die Turbulenzen ließen am Donnerstag auch die Rohstoff- und Ölpreise weiter fallen, da mit einer sinkenden Nachfrage aus der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt gerechnet wird. Stattdessen flüchteten Investoren in als "sichere Häfen" geltende Anlageformen wie Gold oder deutsche Staatsanleihen.

PANIKVERKÄUFE AN CHINESISCHER BÖRSE NACH YUAN-ABWERTUNG

Konkreter Auslöser des erneuten Börsendramas in China war eine neuerliche Abwertung der Landeswährung Yuan durch die chinesische Notenbank- die stärkste seit dem Börsencrash in Shanghai und Shenzhen im vergangenen August. Die Notenbank nährte damit weitere Zweifel an der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes. Dies könnte auf eine noch größere Schwäche der chinesischen Wirtschaft hindeuten als aus offiziellen Statistiken hervorgehe, sagte Marktanalyst Angus Nicholson vom Broker IG.

Der Handel in China selbst wurde bereits nach kurzer Zeit wegen zu hoher Verluste zunächst ausgesetzt und dann ganz beendet für den Tag - und das bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr. Zuletzt verlor der Index CSI 300 mit den wichtigsten Unternehmen des Landes rund 7 Prozent an Wert. An den anderen asiatischen Börsen wie in Japan ging es ebenfalls deutlich abwärts.

Die Daten aus der Eurozone konnten vor diesem Hintergrund kaum stützen, wenngleich sie positiv ausgefallen waren: So ist die Arbeitslosenquote auf den niedrigsten Stand seit 2011 gefallen, die Stimmung der Wirtschaft ist so gut wie seit vier Jahren nichts mehr und das Geschäftsklima in der Eurozone hellte sich im Dezember stärker als erwartet auf.

CHINA BELASTET AUTOWERTE

Im Dax-Kurstableau zeigten sich abermals alle Titel im Minus. Die China-Problematik belastete insbesondere die Autowerte, die bereits nach mauen US-Absatzzahlen am Vortag unter Druck geraten waren. BMW und Daimler verloren jeweils deutlich über 4 Prozent. Als weltweit größter Automarkt ist China für die deutschen Hersteller enorm wichtig.

Die wegen des Abgasskandals im Fokus stehende Vorzugsaktie von VW knickte ebenfalls um mehr als 4 Prozent ein. Der Autokonzern muss laut einem Pressebericht voraussichtlich ein Fünftel der von den Abgas-Manipulationen betroffenen Autos in den USA zurücknehmen. Das wären gut 115 000 Fahrzeuge, berichtete die "Süddeutsche Zeitung" (Donnerstag).

Nach unten mitgerissen wurden auch die Aktien von Auto-Zulieferern wie Continental , Norma und Leoni . Am deutlichsten büßten die Papiere von Rheinmetall ein, die mit einem Verlust von mehr als 6 Prozent an das MDax-Ende fielen.

ERNEUTER KURSSTURZ BEI DIALOG

Die wegen der Energiewende in Deutschland unter Druck stehende RWE-Aktie wurde mit einem Abschlag von mehr als 5 Prozent weiter abgestraft. K+S auf dem Dax-Spitzenplatz hielten sich nach einer frischen Kaufempfehlung des US-Analysehauses Bernstein mit 1,80 Prozent Kursabschlag vergleichsweise gut

Im TecDax knüpften die Aktien von Dialog Semiconductor an ihre jüngsten hohen Verluste an. Die Papiere des Chipherstellers gaben als Index-Schlusslicht um knapp 9 Prozent nach. Händler verwiesen auf einen Medienbericht, laut dem Microchip Technology das Interesse am Dialog-Übernahmeziel Atmel verlieren könnte. Grund sei eine eher triste Geschäftsentwicklung bei Atmel im Schlussquartal 2015. Am Markt kam der mögliche Rückzug der Amerikaner nicht gut an, denn damit wäre die Bahn wieder frei für Dialog. Dialog-Aktionäre und Analysten hatten den milliardenschweren Atmel-Kauf als zu teuer bezeichnet./tav/das

--- Von Tanja Vedder, dpa-AFX ---