Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Nachdem der Rat der Europäischen Zentralbanken (EZB) seine Leitzinsen im Juni erstmals seit 2019 (um 25 Basispunkte) gesenkt hat, ist für die Ratssitzung am Donnerstag der Beschluss zu erwarten die Zinsen unverändert zu lassen. Alle 40 von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte prognostizieren, dass der entscheidende Satz für Bankeinlagen bei der EZB bei 3,75 Prozent bleiben wird. Ihre Angaben zum weiteren Zinskurs dürften allenfalls vage ausfallen. Die EZB dürfte ferner bestätigen, dass die Anleihebestände aus beiden Kaufprogrammen (APP und PEPP) nunmehr schrumpfen. Die geldpolitischen Beschlüsse werden um 14.15 Uhr veröffentlicht.

In der Pressekonferenz mit Christine Lagarde (Beginn gegen 14.45 Uhr) dürften unter anderem das starke Lohnwachstum, die Wahlen in Frankreich und die Implikationen einer nun wahrscheinlicher werdenden zweiten Präsidentschaft Donald Trumps eine Rolle spielen. Folgende Beschlüsse sind im Einzelnen zu erwarten:


    1. Leitzinsen bleiben unverändert - Zins-Guidance vage 

Der Satz für Bankeinlagen bei der EZB dürfte bei 3,75 Prozent bleiben, der Hauptrefinanzierungssatz bei 4,25 Prozent und der Spitzenrefinanzierungssatz bei 4,50 Prozent. Weitere Zinssenkungen um 25 Basispunkte prognostizieren die von Dow Jones Newswires im Vorfeld der Ratssitzung befragten Volkswirte für September, Dezember und März.

Die EZB dürfte bestätigen, dass sie ihre Geldpolitik an den hereinkommenden Daten ausrichten wird - insbesondere an den Inflationsaussichten, der Dynamik der zugrunde liegenden Inflation und der Stärke der geldpolitischen Transmission. Entsprechend vage dürften Hinweise auf mögliche Zinssenkungen im Jahresverlauf ausfallen.

Dem EZB-Rat werden bei seinen Beratungen die Makro-Prognosen der Professional Forecasters vorliegen. Die von Dow Jones im Vorfeld der aktuellen Sitzung befragten Volkswirte prognostizieren für 2024 und 2025 unverändert Inflationsraten von 2,4 und Prozent, und ein Wirtschaftswachstum von 0,7 (zuletzt: 0,5) und 1,4 (1,3) Prozent. Für die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen werden auf Sicht von drei, sechs und zwölf Monaten Raten von 2,40 (2,30) Prozent, 2,40 (2,20) und 2,35 (2,20) Prozent erwartet und für den Euro-Kurs 1,07 (1,08), 1,10 (1,09) und 1,09 (1,10) US-Dollar.


    2. APP-Anleihebestände nehmen moderat ab 

Die Tilgungsbeträge fällig werdender Anleihen, die unter dem APP-Programm gekauft wurden, werden nicht wieder angelegt. Dadurch sinken die APP-Anleihebestände langsam und berechenbar.


   3. PEPP-Wiederanlage 

Die Tilgungsbeträge fällig gewordener Anleihen, die unter dem PEPP-Programm erworben wurden, sinken seit Monatsbeginn um monatlich 7,5 Milliarden Euro. Ab 2025 findet keine Wiederanlage von Tilgungsbeträgen fällig gewordener Anleihen mehr statt.


   4. Refinanzierungsgeschäfte 

Der Rat will darauf achten, wie sich die Rückzahlung der langfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) durch die Banken auf die geldpolitische Ausrichtung auswirkt.


   5. Spread-Kontrolle steht bereit 

Der Rat ist bereit, im Notfall und unter bestimmten Voraussetzungen gezielt Anleihen bestimmter Staaten zu kaufen, wenn deren Zinsen die Übertragung der Geldpolitik behindern. Dazu stehe das Transmissionsschutzinstrument (TPI) zur Verfügung, um "einer ungerechtfertigten, ungeordneten Marktdynamik entgegenzuwirken, die eine ernsthafte Bedrohung für die Transmission der Geldpolitik in allen Ländern des Euro-Währungsgebiets" darstelle.

Präsidentin Lagarde dürfte in diesem Zusammenhang Fragen zu den Wahlergebnissen in Frankreich bekommen, obwohl sich die Renditedifferenz gegenüber Bundesanleihen inzwischen verringert hat. Eine Rolle könnten nach dem missglückten Attentat auf Donald Trump auch makroökonomische Auswirkungen einer weiteren Präsidentschaft Trumps, insbesondere der Inflationsausblick spielen.

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DJG/hab/cbr

(END) Dow Jones Newswires

July 15, 2024 10:00 ET (14:00 GMT)