BERLIN (dpa-AFX) - Knapp drei Wochen vor dem Start der Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Bundesländer dringen die Gewerkschaften auf grundlegende Verbesserungen. "Wenn der öffentliche Dienst als Arbeitgeber auf dem Arbeitsmarkt auch nur ansatzweise mithalten will, sind kräftige Einkommenszuwächse im Tarif- und Beamtenbereich zwingend", sagte der Vorsitzende des Beamtenbunds dbb, Ulrich Silberbach, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.

Der Chef der Gewerkschaft Verdi, Frank Bsirske, begründete die Gewerkschaftsforderung nach sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro pro Monat, mit Sorgen vor nachlassender Konjunktur. "Der robuste wirtschaftliche Aufschwung wird sich auch 2019 fortsetzen, wenn auch mit verschärftem Risiko, etwa wenn man sich den Brexit ansieht oder den Handelskonflikt mit den USA", sagte er der dpa. Die gute Wirtschaftsentwicklung stütze sich stark auf den Binnenmarkt, auch dank guter Tariflöhne. "Diese gilt es zu stärken."

Ab 21. Januar verhandeln die Gewerkschaften und die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) über das Einkommen für rund eine Million Angestellte. Erfahrungsgemäß bekommen viele Bürger die Tarifauseinandersetzung im öffentlichen Dienst durch Ausstände zu spüren. Vor dem jüngsten Abschluss vor zwei Jahren hatten Warnstreiks unter anderem das Schulleben in weiten Teilen Deutschlands massiv gestört. Zudem blieben Kitas und Straßenmeistereien geschlossen.

Insgesamt geht es um 2,3 Millionen Beschäftigte. Die angestrebte Tarifeinigung soll auf die 1,2 Millionen Beamten von Ländern und Kommunen übertragen werden sowie auf etwa eine Million Pensionäre.

Bsirske sagte: "Die Länder brauchen qualifizierten Nachwuchs." In den kommenden fünf bis zehn Jahren würden 20 bis 30 Prozent der Beschäftigten altersbedingt ausscheiden. Der Lohn spiele bei der Gewinnung von Nachwuchs eine wichtige Rolle. Allein in der Krankenpflege und bei den Erzieherinnen und Erziehern fehlten sehr viele Fachkräfte. "Gerade Städte wie Berlin oder Hamburg, aber auch Länder wie Thüringen sind stark betroffen."

Silberbach meinte: "Angesichts des Personalmangels und der demografischen Entwicklung müssten die Arbeitgeber der Länder bei anhaltend sprudelnden Steuereinnahmen unsere Forderungen eigentlich sofort unterschreiben." Besonderes Augenmerk lege der dbb beamtenbund und tarifunion auf Bildung: "Wer Lehrkräfte schon nicht verbeamtet, muss wenigstens für eine ordentliche Eingruppierung sorgen."

Silberbach betonte, es komme auf das Einkommen, attraktive Perspektiven und Wertschätzung an. "Das ist die Währung in Zeiten, in denen uns schon heute mehr als 200 000 Menschen im Staatsdienst fehlen." In Gefahr sei die zentrale Aufgabenerledigung in allen Bereichen der Daseinsvorsorge. "Im Vergleich mit anderen Branchen ist der prognostizierte Personalmangel im Staatsdienst mit Abstand am größten."

Unterschiedliche Tarife hätten die Arbeits- und Einkommensbedingungen im öffentlichen Dienst insgesamt "ganz schön bunt" gemacht, sagte Silberbach. Die Politik forderte er zum Nachdenken darüber auf, dass drängende Probleme gelöst werden könnten, "wenn durch eine Konsolidierung der Verhältnisse Zeit und Kapazitäten freigeschaufelt würden".

Der Verhandlungsführer der Länder, Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD), hatte die Gewerkschaftsforderungen bereits als "völlig überzogen" zurückgewiesen - unter anderem weil es "erste Anzeichen eines Abschwungs" gebe./bw/DP/jha