Der Zyklus und einige Beispiele
 
Andrew Lawrence erläutert, dass übermäßige Bauaktivität und damit verbundene Hybris beim Bau von Wolkenkratzern zeitlich oft mit dem Gipfel von Konjunkturzyklen zusammenfallen. Dabei stimmt der Zeitpunkt der Planung der Hochhäuser mit einem sich beschleunigenden Wirtschaftswachstum überein; während der Bauphase der ersten Hochhäuser befindet sich das Wachstum auf dem Höhepunkt, dann allerdings fällt der Bau der Wolkenkratzer, die aus purer Marktübertreibung und Hybris gebaut werden, oft mit einer Rezession oder sogar Depression zusammen. Im nachfolgenden werden einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit aufgeführt:
  • Die für die damalige Zeit absolut bahnbrechenden Wolkenkratzer Singer Building und Metropolitan Life Insurance Company Tower wurden vor der großen Bankenkrise im Jahr 1907 geplant und während der darauffolgenden großen Rezession (2008: -4,2%; 2009: -6,4%) zu Ende gebracht.
  • Die weltweit bekannten Hochhäuser Bank of Manhattan Building (283 Meter), Chrysler Building (319 Meter) und das Empire State Building (381 Meter) waren gerade mitten in der Planungs- bzw. Bauphase als es in den USA im Jahr 1929 zur großen Depression kam. Das Empire State Building als Symbol für die Macht und den Reichtum der USA verlor erst 41 Jahre später den Rekord des höchsten Gebäudes der Welt.
  • Das 1975 fertiggestellte World Trade Center (417 Meter) und der 1973 zum Abschluss gebrachte Sears Tower in Chicago (442 Meter) waren unmittelbar vom Einbruch des Wirtschaftswachstums in den USA zwischen 1973 und 1975 (1973: 5,6%, 1974: -0,5%, 1975: -0,2%) betroffen.
  • Der Zeitpunkt des Baus der Petronas Towers (452 Meter) in Kuala Lumpur, deckt sich mit dem wirtschaftlichen Zusammenbruch in Asien in den 90er Jahren.
  • Das Taipei 101 (508 Meter) wurde kurz vor dem Platzen der Internet-Blase in den frühen 2000er Jahren und der darauffolgenden Rezession fertigstellt.
  • Der Burj Khalifa (828 Meter, das derzeit höchste Gebäude der Welt), der 1,5 Milliarden Dollar verschlungen hat und dessen Büroflächen Berichten zufolge großenteils leer stehen, wurde in mitten der Schuldenkrise im Jahr 2010 fertiggestellt.
     



Der
"Skyscraper(Wolkenkratzer)-Index"

Laut Lawrence liegt der Ursprung von Wirtschaftskrisen einfach betrachtet in der Summe der Faktoren Überinvestition, Spekulation, unverhältnismäßiges Wachstum der Geldmenge, die wiederum den Bauboom der Wolkenkratzer befeuern. Auch der amerikanische Ökonom Mark Thornton, der sich unter anderem auf die Arbeit des Wirtschaftswissenschaftlers Richard Cantillon aus dem 18. Jahrhundert stützt, fand Beweise für Parallelen in den jeweiligen Zyklen, die den Wolkenkratzer Index zu einem ernstzunehmenden Indikator machen.
 
Stark vereinfacht läuft der Zyklus wie folgt ab:
- Zunächst beginnen (zu) niedrige Zinsen, die Immobilienpreise in die Höhe zu treiben.
- Anschließend findet aufgrund des sehr niedrigen Zinsniveaus eine umfassende Expansionsphase der Unternehmen statt, die dadurch die Nachfrage nach Büroflächen erhöhen und damit den Bau neuer Büroflächen in Bewegung setzen.
- Bei dem sich entfachenden Bauboom werden Investitionen, unter anderem in moderne Bautechniken, getätigt, um möglichst presitgeträchtige Bauvorhaben umsetzen zu können.
- Schließlich, wenn die Euphorie ihren Höhepunkt erreicht, werden die wildesten Projekte und Rekordversuche gestartet, wofür einige Beispiele in der vorgenannten Liste aufgeführt wurden.
- Wenn dann die Zinsen unweigerlich wieder steigen und der Konjunkturzyklus seinen Höhepunkt überschritten hat folgt in vielen Fällen eine Rezessions- oder sogar Depressionsphase.
 
Beängstigende Entwicklungen auf manchen Märkten
 
In diesem Jahr wird die Fertigstellung des "Shanghai Tower" erwartet, der zum zweithöchsten Gebäude der Welt bei einer Höhe von 632 Meter wird. Insgesamt befinden sich in China 66 Hochhäuser mit einer Höhe von über 240 Metern im Bau.  53% der Wolkenkratzer-Projekte weltweit werden in China realisiert. Laut Barclays Capital Property Research ist dieser rasende Bauboom in China ein deutliches Indiz für eine Blasenbildung in der dortigen Baubranche. Aufgrund der großen Bedeutung der chinesischen Volkswirtschaft könnte dort daher das Epizentrum der nächsten großen Finanz- und Wirtschaftskrise liegen – ausgelöst vom Niedergang des Bau- und des damit eng verbundenen Bankensektors.
 
Ein weiteres Beispiel für den Bauboom bei Wolkenkratzern findet man in Saudi-Arabien, wo Prinz Walid bin Talal Al beabsichtigt, in Jeddah das "Burj al Mamlakah", einen Wolkenkratzer mit einer Höhe von mehr als 1 Kilometer zu errichten. Die Eröffnung ist für das Jahr 2018 geplant, allerdings wird die Machbarkeit dieser Frist von vielen Experten bezweifelt, da die Finanzstärke des Landes durch den Einbruch des Ölpreises stark gelitten hat. Vor diesem Hintergrund hat die Ratingagentur Standard & Poors jüngst auch das Rating des Landes von "AA-" auf "A +" herabgestuft.
 
Zugegeben, den Zeitpunkt einer Rezession oder Finanzkrise allein auf Grund eines globalen Baubooms und Höhenwettbewerbs bei Wolkenkratzern zu bestimmen ist nicht anzuraten. Der Index und die dazugehörige Theorie  weisen jedoch ganz klar auf mögliche Krisenherde hin und haben sich in der Vergangenheit schon in einigen Fällen als eine sehr akkurate Methode bewiesen.