Von Carol Ryan

LONDON (Dow Jones)--Das Hitzewetter lässt sich auch an der Lebensmittelinflation ablesen. Ein Blick auf die Preise für Waren, die nach den Hitzewellen dieses Monats aus Oliven und anderen Rohstoffen hergestellt werden, gibt da tiefen Aufschluss.

Dieser Sommer wird voraussichtlich einer der heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen. In Phoenix erreichten die Temperaturen in den vergangenen Tagen ein Allzeithoch von 48 Grad Celsius. China stellte zuletzt einen neuen Landesrekord auf, als die Temperaturen im Nordwesten des Landes auf 52 Grad kletterten. Europa bekämpft Waldbrände in Griechenland sowie den Schweizer Alpen, und in den meisten Großstädten Italiens herrscht Alarmstufe Rot wegen extremer Hitze. Landwirte leiden in wichtigen Lebensmittelregionen.

Nach Angaben des Nasa Earth Observatory waren die Felder in Kansas in dieser Vegetationsperiode voller verkümmerter und bräunlicher Pflanzen, und im größten Teil des Bundesstaates herrscht Dürre. Die Winterweizenernte in Kansas wird voraussichtlich historisch schwach ausfallen. Das US-Landwirtschaftsministerium schätzte kürzlich, dass die Ernte des Bundesstaates 22 Prozent geringer ausfallen wird als im Vorjahr.

Schätzungen der EU-Kommission zufolge dürfen die spanischen Weizenernte-Erträge in Europa voraussichtlich 38 Prozent unter ihrem Fünfjahresdurchschnitt rangieren. Eine große italienische Molkereiorganisation gab an, dass Milchkühe, die durch die heißen Temperaturen gestresst sind, 10 Prozent weniger Milch als normal produzieren. Die langfristigen Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Landwirtschaft werden sich als gemischt erweisen. Einige Landwirte dürften von längeren, wärmeren Vegetationsperioden profitieren. Aber neue Wetterbedingungen sollten die heutigen wichtigen Lebensmittelproduktionsregionen auf den Kopf stellen. "Wenn Wetterextreme einsetzen, können Orte versagen, die über Hunderte von Jahren als Kornkammern dienten", warnt Tim Lenton, Professor für Erdsystemwissenschaften an der Universität von Exeter.


  Extremes Wetter plagt die Landwirte 

Unbeständigeres Wetter bedeutet auch, dass Landwirte häufiger mit extremen Bedingungen konfrontiert werden. Laut einer in der Zeitschrift NPJ Climate and Atmospheric Science veröffentlichten Studie hätten Weizenbauern im Mittleren Westen der USA und in China im Jahr 1981 alle 100 Jahre mit ungewöhnlich intensivem Wetter rechnen können. Heutzutage sind chinesische Landwirte alle 16 Jahre dem Risiko großer wetterbedingter Rückschläge ausgesetzt. Noch ernster ist die Situation in den USA, wo alle sechs Jahre extreme Wetterbedingungen die Ernte schädigten.

Der Welthandel wird die Volatilität etwas mildern, da Lieferungen aus Übersee schlechte Ernten vor Ort ausgleichen können. Und die Landwirtschaft wird Wege finden, sich anzupassen. Das Saatgut kann genetisch verändert werden, um heißeren und trockeneren Bedingungen standzuhalten, oder es können andere Nutzpflanzen angebaut werden. Aber die heißesten Felder müssen möglicherweise ganz zugunsten kühlerer Regionen aufgegeben werden. In Nordamerika hat sich der Mais- und Sojaanbau bereits seit den 1970er Jahren in Richtung Nordwesten verlagert.

Für Pflanzen wie Olivenbäume, deren Reifung mindestens ein Jahrzehnt dauert, wird dies schwieriger sein. Landwirte in Spanien, einem der weltweit größten Olivenölproduzenten, rechnen wegen der extremen Hitze für die diesjährige Ernte mit dürftigen Erträgen. Nach Angaben des International Olive Council sind die Preise für natives Olivenöl im vergangenen Jahr bereits um 87 Prozent emporgeschnellt, was teilweise dem ungewöhnlich heißen Sommer 2022 geschuldet ist. Die schwierigen Bedingungen in der Landwirtschaft sorgen im Supermarkt für unangenehme Überraschungen für Verbraucher.


  Währungshüter sind alarmiert 

Einige Zentralbanker denken bereits darüber nach, wie sich der Klimawandel auf die Preise auswirken könnte. Nach Schätzungen der Europäischen Zentralbank (EZB) erhöhten Hitzewellen in Europa im vergangenen Sommer die Nahrungsmittelinflation um 0,67 Prozentpunkte. Die EZB geht davon aus, dass höhere Temperaturen bis 2035 jährlich zwischen 0,92 und 3,23 Prozentpunkte zur weltweiten Lebensmittelinflation beitragen. Derweil hängt die große Bandbreite zum Teil davon ab, um wie viel die Welt ihre Kohlenstoffemissionen bis dahin reduzieren kann.

Ein positiver Aspekt der drückenden Temperaturen dieses Sommers ist, dass politische Entscheidungsträger und Ökonomen wertvolle Daten erhalten. Ein Problem bei der Vorhersage, wie sich der Klimawandel auf das globale Ernährungssystem auswirken wird, besteht darin, dass Prognosemodelle in der Regel auf historischen Daten basieren. Da die Welt jedoch neue Wetterrekorde verzeichnet, sind alte meteorologische Daten immer weniger relevant und könnten die bevorstehenden Probleme unterschätzen. Mit jedem extremen Wetterereignis und den daraus resultierenden Preisschocks kristallisieren sich die wirtschaftlichen Folgen einer Erwärmung des Planeten ein Stück schärfer heraus.

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July 21, 2023 09:56 ET (13:56 GMT)