FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 12. Januar 2017. Klaus Stopp blickt umfassend auf die Rentenmärkte.

Zurückblickend lässt sich konstatieren, dass nichts an der Börse einfacher ist, als den Vortag nochmals zu handeln. Diese alte Börsenweisheit lässt sich auch auf einen längeren Zeitraum übertragen wie beispielsweise das Jahr 2016, das an ungewöhnlichen Ereignissen, die die Börsen kräftig durchgeschüttelt haben, nicht arm war. So sorgten neben den regionalen Krisen insbesondere die Entscheidung über den EU-Austritt Großbritanniens und die Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten oftmals zu nicht nachvollziehbaren Kursbewegungen.

Aber 2016 ist Vergangenheit und nun gilt es, sich für 2017 zu rüsten! Doch sind die Einflussfaktoren für das neue Jahr so unkalkulierbar, dass grundsätzlich alles möglich erscheint. Deshalb werden Wucht und Schnelligkeit von Marktverwerfungen die neue Normalität sein und uns durch das ganze Börsenjahr begleiten. Das bedeutet gleichzeitig, dass sich Investoren insbesondere im noch neuen Jahr wie auf einem zugefrorenen See verhalten sollten. Auch dort ist die persönliche Einschätzung des Gefahrenpotentials unabdingbar. Ist das Eis an manchen Stellen noch dick und tragfähig, so kann es an anderen Stellen dünn und brüchig sein - oder durch eine zu große Belastung bzw. Tauwetter schnell seine Stabilität einbüßen.

Die Erzeuger von solchen Rahmenbedingen sind u.a. die Notenbanken, die auch in diesem Jahr mit den Folgen politischer Ereignisse (Wahlen in Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und eventuell auch in Italien) umzugehen haben. Zusätzlich werden allerdings auch Themen wie die "Auferstehung" der Bankenkrise, die Unberechenbarkeit des US-Präsidenten Donald Trump, der Beginn der Brexit-Verhandlungen sowie die von manchen versuchte Selbstzerstörung des gemeinsamen Europas durch die Rückbesinnung auf nationale Werte die Märkte bewegen.

Insbesondere "D.T. - der Unberechenbare" spielt mit Gedanken, sich von diversen Handelsabkommen zu befreien und die USA wie ein Unternehmen zu führen. Dieser neue Ansatz von Politik ist sicherlich nicht verwerflich, aber Handel und Frieden hängen eng miteinander zusammen. So ist jeder gute Kaufmann im Sinne guter geschäftlicher Beziehungen am Wohlergehen seiner Kunden interessiert und würde gegen diese nie einen "Krieg" führen.

Das beste Beispiel für gelungene Friedenspolitik infolge einer Annäherung in wirtschaftlicher Hinsicht ist hierbei immer noch Europa. Auch wenn man nicht mit allen Errungenschaften in Europa glücklich ist, so kann man dennoch auf die bisher längste Friedensphase in Kerneuropa stolz sein. Dieses für die gesamte EU-Bevölkerung sehr hohe Gut gilt es auch in den kommenden Jahren zu erhalten und zu verteidigen. In Ermangelung politischer Unterstützung wird die Europäische Zentralbank weiterhin mit ihren geldpolitischen Entscheidungen für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sorgen müssen. Es bleibt abzuwarten, wie ihr dies gelingen wird.

Märkte unsicher über weiteren Fed-Kurs

Über den weiteren Kurs der US-Notenbank ist eine gewisse Verunsicherung an den Kapitalmärkten eingetreten. Das in der vergangenen Woche veröffentlichte Protokoll der Federal Reserve Bank (Fed) über deren Dezember-Sitzung macht deutlich, dass die in Aussicht gestellten und bereits eingepreisten Zinserhöhungen noch nicht in Stein gemeißelt sind. Laut der Mitschrift der Fed-Sitzung gehen die Währungshüter zwar mehrheitlich davon aus, dass sich die US-Konjunktur besser entwickeln könnte als bisher angenommen. Jedoch wiesen die Teilnehmer darauf hin, dass noch erhebliche Unsicherheiten über den wirtschaftspolitischen Kurs der künftigen US-Regierung bestünden und kritisierten u.a. auch die Stärke des US-Dollars.

Allerdings: Sollte sich die US-Konjunktur besser entwickeln als erwartet, könnte die US-Notenbank auch gezwungen sein, gegenzusteuern und die Zinsen rascher anzuheben. Dieses Szenario hat in den vergangenen Wochen den US-Dollar immer stärker werden lassen. Doch dieser Trend ist momentan gebrochen, so dass Zweifel an rasch steigenden Zinsen angebracht sind.

Wie schwierig das Marktumfeld auch für Notenbanken ist, verdeutlicht die Tatsache, dass die US-Notenbank für 2016 "lediglich" rund 92 Milliarden US-Dollar an das Finanzministerium in Washington überweisen wird, denn im Vorjahr waren es noch 97,7 Milliarden US-Dollar.

EZB in der Zwickmühle

Man braucht kein Hellseher zu sein, um zu prognostizieren, dass sich die Europäische Zentralbank (EZB) im Jahr 2017 vornehmlich mit dem Einstieg in den Ausstieg der ultralockeren Zinspolitik beschäftigen muss. Scheint doch mit dem Anstieg der Inflation auf 1,7 Prozent im Dezember der Punkt gekommen zu sein, an dem sich die Frage nach der Zinswende aufdrängt. Hinzu kommt, dass die europäische Wirtschaft insgesamt nicht schlecht dasteht.

Bereits festgelegt hat die EZB, ihr Wertpapierkaufprogramm (Quantitative Easing / QE) über März 2017 bis zum Jahresende zu verlängern - und zwar ab April mit einem von 80 auf 60 Milliarden Euro reduzierten Monatsvolumen. Allerdings mit der Option, das Volumen bei Bedarf wieder aufzustocken. Denn natürlich müssen die Notenbanker ihre Entscheidungen sorgfältig abwägen, um das zarte Pflänzchen aufkeimenden Wachstums nicht vorschnell wieder abzuwürgen. Sollten im Zuge möglicher weiterer Leitzinserhöhungen in den USA auch in Euroland die langfristigen Kreditzinsen anziehen, könnte dies die hiesige Wirtschaft schnell unter Druck bringen. So will die EZB flexibel bleiben und bei Bedarf die lockere Geldpolitik fortsetzen. Einen weiteren Grund, die Zinsen niedrig zu halten, liefern die Schuldensünder unter den EU-Ländern. Müssten diese höhere Zinsen an ihre Gläubiger zahlen, droht nicht nur Griechenland die Zahlungsunfähigkeit.

Deshalb darf der Einstieg in den Ausstieg der ultralockeren Geldpolitik nicht allzu früh erwartet werden, zumal deren Anhänger, die sogenannten Tauben, nach Einschätzung der "Börsen-Zeitung" im EZB-Rat in der Überzahl sind. Somit bleiben uns die Risiken einer überzogenen Flutung der Märkte mit Geld, welche zu einer Fehlallokation von Ressourcen und dem Aufblähen von Blasen führen, noch lange Zeit erhalten.

Darüber hinaus würde ein später Einstieg in den Ausstieg besonders für Sparer zu einem unliebsamen Effekt führen. Sollte nämlich die Inflation in den Jahren 2017 bis 2019 von 1,3 auf 1,7 Prozent anziehen, wie es die Notenbanker erwarten, und gleichzeitig die Zinsen nahe der Nulllinie bleiben, würden Anleger unterm Strich eine Menge Geld verlieren. Das schlimmste Jahr hat für die Sparer also erst vor wenigen Tagen begonnen!

Somit bleibt den Notenbankern nur die Hoffnung, dass die Inflation in den nächsten Monaten stagniert, da ihnen ansonsten bei Nichtreaktion eine politische Motivation unterstellt werden könnte. Man darf gespannt sein, wie sich die EZB aus der selbst gebauten Zwickmühle befreien wird.

Halten Bond-Anleger Volkswagen weiterhin die Treue?

Inzwischen ist der Deal in trockenen Tüchern, denn Volkswagen hat sich am gestrigen Abend mit dem US-Justizministerium auf einen Vergleich geeinigt. Demnach muss der Wolfsburger Autobauer Strafzahlungen in Höhe von 4,3 Milliarden US-Dollar leisten.

VW hat bislang insgesamt 18,2 Milliarden Euro für die Folgen des Abgasskandals zurückgelegt. Das Gros davon dürfte bereits für Entschädigungen von US-Kunden und Strafen in zivilrechtlichen Auseinandersetzungen reserviert sein und somit wird die zurückgelegte Summe nicht ausreichen.

Dennoch haben die Anleger am Bondmarkt VW die Treue gehalten. Die Anleihen des Autobauers tendierten in dieser Woche allesamt nach oben. So zog ein bis 4/2022 laufender Titel der VW Leasing (A0JCC0) auf rund 106,92 Prozent an, nachdem er am 6.12. bei 105,075 Prozent bewertet wurde.

Ähnlich entwickelten sich die Corporates von VW im langfristigen Bereich, was an einer 1/2030 fälligen Anleihe (A1ZUTM) deutlich wird, die auf ca. 94,75 Prozent kletterte. Am 8.12. hatte dieser Bond noch bei 89,539 Prozent notiert. Die nächsten Handelstage werden zeigen, ob ein Umdenken der Investoren im Zuge der neuesten Entwicklung im Abgasskandal erfolgte oder ob man VW die Treue hält.

Rom stellt Rettungsplan für Banken auf

6,6 Milliarden Euro wird der italienische Staat zur Rettung der seit Jahren kriselnden Banca Monte dei Paschi di Siena (BMPS) aufbringen, die nach Angaben der Europäischen Zentralbank (EZB) insgesamt 8,8 Milliarden Euro frisches Kapital benötigt. Die restlichen 2,2 Milliarden Euro müssen institutionelle Anleger beisteuern. Ihre Anleihen werden in Aktien umgewandelt, was einem Wertverlust von einem Viertel gleichkommen soll.

Italiens drittgrößtes Kreditinstitut und das älteste aktive Bankhaus der Welt leidet unter einem riesigen Berg fauler Kredite, der bis zu 45 Milliarden Euro betragen soll. Beim Stresstest der Europäischen Bankenaufsicht (EBA) Ende Juli 2016 hatte die BMPS am schlechtesten abgeschnitten.

Die EZB hatte der Bank bis zum 31. Dezember 2016 Zeit gegeben, ihre Finanzlage ins Lot zu bringen. Ansonsten drohte man mit Abwicklung. Die italienische Regierung in Rom hat für BMPS sowie anderer Krisenbanken einen 20 Milliarden Euro schweren Rettungsfonds zur Verfügung gestellt. Davon profitiert nun als erste Bank die BMPS. Rechtliche Grundlage des mit Steuergeldern ausgestatteten italienischen Rettungsfonds ist eine immer noch geltende Krisen-Richtlinie der EU, die eine Ausnahmeregelung aus der Zeit der Finanzkrise darstellt.

Indessen fürchtet Ifo-Chef Clemens Fuest langfristig den Austritt Italiens aus der EU. Das Wohlstandsniveau für Italien liege auf dem Level des Jahres 2000, sagte er dem "Tagesspiegel". Wenn sich daran nichts ändere, so meint Fuest, würden sich die Italiener irgendwann von der Eurozone verabschieden wollen. Probleme gebe es auch dann, wenn Italien einen Antrag beim Rettungsschirm ESM stellen würde. Mit seiner Zustimmung zu einem Rettungsprogramm für Italien würde der Bundestag dem Steuerzahler Risiken aufbürden, deren Höhe er weder kenne noch kontrollieren könne.

Orientierungsphase noch nicht abgeschlossen

Die ersten Handelstage des neuen Jahres verdeutlichen, dass im Rentenhandel die Orientierungsphase noch nicht abgeschlossen ist und die Händler auf der Suche nach dem Trend 2017 bisher nicht fündig wurden. Konnte das Rentenbarometer am 2. Januar bis auf 164,94 Prozent klettern, so markierte es nur eine Woche später mit 162,47 Prozent das bisherige Jahrestief. Inzwischen notiert der Euro-Bund-Future infolge der gestrigen Pressekonferenz von D.T. - dem Unberechenbaren wieder über der psychologischen Marke von 164 Prozent.

Bereits dieser Jahresauftakt zeigt, dass es noch einige Wochen dauern kann bis sich die Akteure an den Finanzmärkten mit den neuen Gegebenheiten arrangiert haben. Börsianer lieben die freie Sicht und stochern nicht gerne im Nebel. Selbstverständlich kann man zwar auch in solchen Märkten Gewinne erzielen, aber es sind doch eher zufallsbedingte Erträge.

Somit hoffen die Marktteilnehmer, dass sich in den kommenden Tagen die Nebelbänke auflösen. Solange dies aber nicht der Fall ist, muss auf Sicht gefahren werden und daher blickt man gespannt auf die heutige Rede der Fed-Präsidentin, Janet Yellen, die im Rahmen des Town-Hall-Meetings in Washington sprechen wird. Marktteilnehmer erhoffen sich hierbei neue Erkenntnisse zu Wachstums- und Inflationsperspektiven, um Rückschlüsse auf die weitere Geldpolitik in den USA ziehen zu können.

Bund plant erneut mit einem geringeren Refinanzierungsbedarf

Es war schon immer so, dass sich mit einem Jahreswechsel Neuerungen einstellen, aber manche Abläufe unverändert bleiben. So wird sich der Refinanzierungsbedarf der USA nicht reduzieren und wir werden weiterhin wöchentlich mit einer Flut von Geld- und Kapitalmarktpapieren konfrontiert. In dieser Handelswoche wurden beispielsweise T-Bills mit Laufzeiten von vier Wochen sowie drei und sechs Monaten für insgesamt 107 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Darüber hinaus wurden noch Kapitalmarktpapiere mit Laufzeiten von drei, zehn und 30 Jahren in einem Gesamtvolumen von 56 Milliarden US-Dollar den interessierten Investoren zum Kauf angeboten.

In Euroland werden bekanntlich schon immer "kleinere Brötchen" gebacken und so wurden nach der Weihnachtspause sowie dem Ende der Ferienzeit in vielen europäischen Ländern vereinzelt Emissionsaktivitäten beobachtet. Aufgestockt wurden hierbei Altemissionen in den Niederlanden (WKN A1ZDY6/2047), Österreich (WKNs A18X6P/2026, A18X6Q/2047) und Italien im Volumen von insgesamt ca. 8 Milliarden Euro. Die beiden zusätzlich in Deutschland im Tender offerierten Anleihen rundeten die Angebotspalette ab, wobei die inflationsindexierte Anleihe (WKNs 103056/2026) bei einer realen Durchschnittsrendite von -1,07 Prozent zugeteilt wurde. Das Emissionsvolumen erhöhte sich hierbei um 1 Milliarden Euro auf nun 9,5 Milliarden Euro. Die neu aufgelegte zehnjährige Anleihe (WKN 110241) mit einem Emissionsvolumen von 5 Milliarden Euro konnte hingegen mit einer Durchschnittsrendite von 0,36 Prozent zugeteilt werden.

Besonders erwähnenswert ist die Emissionsplanung des Bundes für das Jahr 2017. Für das Jahr 2016 waren ursprünglich Refinanzierungen in Höhe von ca. 210 Milliarden Euro vorgesehen, die allerdings aufgrund der hohen Steuereinnahmen unter die Marke von 200 Milliarden Euro gedrückt werden konnten. Zur Finanzierung des Bundeshaushaltes und seiner Sondervermögen plant der Bund im laufenden Jahr nur noch mit einer Mittelaufnahme von ca. 180 Milliarden Euro. Steuereinnahmen und reduzierte Zinszahlungen machen es möglich.

12. Januar 2017, © Baader Bank AG

Über den Autor

Klaus Stopp ist der stellvertretender Leiter des Rentenhandel der Baader Bank.

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