--Produktion um 5,6 Prozent über Niveau des dritten Quartals

--Exporte und Importe steigen kräftig

--Einzelhandelsumsätze um 3,1 Prozent höher als im dritten Quartal

--Maut-Fahrleistungsindex steigt im Dezember um 4,4 Prozent

(NEU: Zusammenfassung mit Kommentaren von Bankvolkswirten und Hintergrund)

Von Hans Bentzien

FRANKFURT (Dow Jones)--Die deutsche Wirtschaft ist bis November nahezu ungebremst dabei gewesen, den im Frühjahr im Zuge der Corona-Pandemie erlittenen Rückschlag aufzuholen. Produktion, Einzelhandelsumsätze und Auftragseingänge lagen im Durchschnitt der ersten beiden Monate des vierten Quartals deutlich über dem Niveau des dritten Quartals.

Allerdings bilden die bisher veröffentlichten Daten nur einen begrenzten Ausschnitt der Volkswirtschaft ab, die vor allem vom Dienstleistungssektor geprägt ist. Der aber ist vom neuen Lockdown hart getroffen und liefert verlässliche Daten mit deutlicher Verspätung. Ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im vierten Quartal ist daher gut möglich.


   Produktion steigt im Dezember um 0,9 (Prognose: 0,4) Prozent 

Die Produktion im produzierenden Sektor entwickelte sich im November etwas besser als erwartet. Nach Mitteilung des Statistischen Bundesamts (Destatis) stieg sie gegenüber dem Vormonat um 0,9 Prozent und lag um 2,6 (Oktober: 2,7) Prozent unter dem Niveau des Vorjahresmonats. Die von Dow Jones Newswires befragten Volkswirte hatten einen monatlichen Anstieg von nur 0,4 Prozent prognostiziert.

Der für Oktober gemeldete Produktionsanstieg von 3,2 Prozent wurde zudem auf 3,4 Prozent revidiert. Damit lag die Produktion im Durchschnitt dieser beiden Monate um 5,6 Prozent über dem Niveau des dritten Quartals.

Die Industrieproduktion im engeren Sinne stieg im November um 1,2 (plus 3,6) Prozent. Die Erzeugung von Vorleistungsgütern erhöhte sich um 2,4 (plus 4,0) Prozent und die von Investitionsgütern um 1,3 (plus 5,5) Prozent. Die Produktion von Konsumgütern dagegen ging um 1,7 (minus 1,9) Prozent zurück. Die Bauproduktion nahm um 1,4 (plus 1,7) Prozent zu und die Energieproduktion um 3,9 (plus 5,0) Prozent ab.


    Exporte im November deutlich höher als erwartet 

Auch die Exporte liefen besser als erwartet. Sie stiegen gegenüber dem Vormonat um 2,2 Prozent, erwartet worden war nur ein Zuwachs von 1,2 Prozent. Die Importe legten sogar um 4,7 Prozent zu, was darauf hindeutet, dass die deutschen Unternehmen in Erwartung einer hohen Nachfrage ihre Lagerbestände aufbauen. Mit Blick auf die BIP-Entwicklung im vierten Quartal könnte das interessant werden.

ING-Europa-Chefvolkswirt Carsten Brzeski hält vor diesem Hintergrund eine positive Überraschung bei der BIP-Veröffentlichung für das vierte Quartal für möglich. "Die Industrie ist zurück - als größte Hoffnung für Deutschland, einen 'Double Dip' zu vermeiden", schrieb Brzeski in Verweis auf die Tatsache, dass das BIP im zweiten Quartal gesunken und im dritten Quartal gestiegen ist. Hoffnung setzte Brzeski diesbezüglich auch auf eine Umkehr der Lagerentwicklung, die zwei Quartale in Folge negative Wachstumsbeiträge geliefert hat.


   ING: Mobilität ab Mitte Dezember deutlich gesunken 

Gleichwohl will der Ökonom einen BIP-Rückgang nicht ausschließen, weil der im November verhängte und im Dezember verschärfte Lockdown Teile des Dienstleistungssektors erneut stillgelegt hat. Er verweist auf Mobilitätsdaten von Google und der Deutschen Bundesbank, die einen deutlichen Rückgang ab Mitte Dezember anzeigten.

Auch aus Sicht von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der liechtensteinischen VP Bank, ist die Industrie nur eine Seite der Medaille. "Die andere Seite ist, dass Teile des Dienstleistungsbereichs allen voran das Hotel- und Gaststättengewerbe und der Freizeitsektor massiv unter den Eindämmungsmaßnahmen leiden", schrieb er in seinem Kommentar. Der Dienstleistungssektor reiße die Löcher ins BIP, und das ausgefallene Essen im Restaurant, der Frisörbesuch oder auch der ausgebliebene Ausflug in den Freizeitpark könnten nur bedingt nachgeholt werden.

Commerzbank-Volkswirt Marco Wagner erwartet, dass die unerwartet starke Industriekonjunktur den BIP-Rückgang im vierten Quartal begrenzt hat - wenn auch nicht verhindert. "Die seit Anfang November geltenden neuerlichen Einschränkungen und die Verschärfungen im Dezember haben in einigen Dienstleistungssektoren die wirtschaftliche Aktivität erneut einbrechen lassen", schrieb Wagner. Darum dürfte die deutsche Wirtschaft trotz der positiven Entwicklung in der Industrie im vierten Quartal schrumpfen.


   Auftragseingänge und Lkw-Fahrleistung deuten auf Produktionszuwachs im Dezember 

Daran dürfte auch eine im Dezember erneut steigende Produktion kaum etwas ändern, die sich bereits andeutet: So stiegen die Auftragseingänge im November um weitere 2,3 Prozent, die Auftragsbestände erhöhten sich weiter, und der Lkw-Fahrleistungsindex, ein Vorlaufindikator der Produktion, stieg im Dezember um 4,4 Prozent.

Auch der Einzelhandelsumsatz dürfte sich im vierten Quartal nicht als Wachstumsbremse erweisen: Im Mittel der Monate Oktober und November lag er um 3,1 Prozent höher als im dritten Quartal.

Destatis veröffentlicht eine erste BIP-Schätzung für das Gesamtjahr 2020 in der nächsten Woche. Dabei werden die Statistiker möglicherweise auch eine vorsichtige Schätzung für das vierte Quartal abgeben.

Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com

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January 08, 2021 04:05 ET (09:05 GMT)