--Kabinett beschließt erstmals eine Datenstrategie für die Bundesregierung

--Modell soll in Ideenwettbewerb des Forschungsministeriums erprobt werden

--Bund erwägt auch Datenteilungspflicht für Unternehmen

(Neu: mehr Details, Stimmen von Braun, Bär)

Von Petra Sorge

BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung strebt an, Datenschätze besser für Unternehmen und die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dazu sollen sogenannte Datentreuhänder in Zukunft eine zentrale Rolle übernehmen, erklärte Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) in Berlin gemeinsam mit Digital-Staatssekretärin Dorothee Bär (CSU). Das Kabinett hatte zuvor erstmals eine Datenstrategie der Bundesregierung verabschiedet.

Ziel des bereits in der europäischen Datenstrategie vorgeschlagenen Konzepts ist die Schaffung von Standards für diejenigen, die Daten miteinander teilen. Die Nutzer müssten auch darauf vertrauen können, dass die Aspekte der Anonymisierung und der angemessenen Datennutzung auch wirklich so umgesetzt würden, "weil der Datentreuhänder entsprechen darauf aufpasst", sagte Braun. Damit sollen breitere Teile der Wirtschaft und Wissenschaft Zugang zu den Daten erhalten. Die Bundesregierung plane dazu einen Ideenwettbewerb des Forschungsministeriums, um verschiedene Kooperationsmodelle zu erproben. Braun betonte, gerade jetzt in der Pandemie hätten viele Menschen die Chancen von Daten mit Blick auf die Erforschung des Coronavirus erkannt und schätzen gelernt.


   240 konkrete Maßnahmen vorgeschlagen 

Insgesamt schlägt das 122-seitige Papier über vier Kapitel 240 konkrete Maßnahmen vor, darunter die Stärkung der IT-Sicherheit, der Künstlichen Intelligenz, der Rechenzentrum-Infrastruktur und der Datenkompetenz. Demnach erwägt der Bund auch eine Pflicht für Unternehmen, Daten zu teilen. In der Wissenschaft würden seit einiger Zeit Varianten einer Datenteilungspflicht diskutiert, heißt es in dem Strategiepapier. "Die Bundesregierung wird diese Diskussion weiterverfolgen und prüfen, ob auf besonders datengetriebenen Märkten eine Verpflichtung zum Teilen von bestimmten Daten erforderlich ist und wie diese gegebenenfalls - im Rahmen des Wettbewerbsrechts oder sektorspezifischer Regulierung - umgesetzt werden könnte." Dabei müssten allerdings Geschäftsgeheimnisse, der Schutz des geistigen Eigentums und der Schutz personenbezogener Daten "immer gewährleistet" sein.

Das Strategiepapier zitiert dazu eine Fraunhofer-Studie, wonach Unternehmen Daten bislang sehr selten mit anderen Unternehmen (21 Prozent) oder gar Wettbewerbern teilten (15 Prozent). Kleine und mittelständische Unternehmen seien dabei sogar noch zurückhaltender. Laut dem Kanzleramtschef gehen Wissenschaftler sogar davon aus, dass bis zu 90 Prozent der Daten bislang nicht genutzt würden.


   Auch der Bund will Daten besser zugänglich machen 

Dabei ist das Potential von Daten enorm. Braun verwies dazu auf Schätzungen des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), wonach das Wertschöpfungspotenzial der Datenökonomie bis 2025 allein für Deutschland 425 Milliarden Euro betrage. Für ganz Europa könnten es in den nächsten 10 Jahren sogar bis zu 1,25 Billionen Euro sein. Auch der Staat soll daher künftig seine Datenbestände besser aufarbeiten und für die Öffentlichkeit nutzbar machen. Deswegen sei Teil dieser Strategie, dass in jedem Ministerium ein entsprechender Experte seine Arbeit aufnehmen soll, betonte Braun.

Die Bundesregierung hatte daher bereits im November 2019 die Eckpunkte der nun fertigen Datenstrategie vorgelegt, obwohl sie nicht im Koalitionsvertrag geplant war. In einer breiten öffentlichen Befragung hätten 1.200 Online-Teilnehmer mitgewirkt, aber auch Vertreter der Datenethikkommission und der Kommission Wettbewerbsrecht 4.0, erklärte Digital-Staatsministerin Bär. Sie selbst wünscht sich für die nächste Legislaturperiode eine stärkere Verankerung digitaler Themen in der Bundesregierung, was sich allerdings nicht auf ein Digitalministerium beschränken sollte, erklärte Bär. Ein solcher Schritt "wäre vor zehn Jahren sehr innovativ gewesen". Künftig aber gelte es vielmehr, dass "wir mit Zukunftsministerien oder ähnlichem und auch mit ganz anderen agilen Prozessen auch arbeiten können".


   Bitkom hält Strategie für "überfällig" 

Der Digitalverband Bitkom nannte eine ambitionierte Datenstrategie "überfällig" und forderte, nun "aus dem Diskussions- in den Umsetzungs-Modus" zu wechseln. "Diese Krise sollte auch den Skeptikern vor Augen geführt haben, welche herausragende Bedeutung aktuelle und qualitativ hochwertige Daten zum Beispiel für die Pandemiebekämpfung oder für die Bewertung der Wirksamkeit politischer oder epidemiologischer Maßnahmen haben", erklärte Bitkom-Präsident Achim Berg. Mit Blick auf Zukunftstechnologien wie Künstliche Intelligenz dürfe nicht mehr ausschließlich darüber diskutiert werden, wie Daten vermieden werden könnten. "Wir müssen vielmehr eine sichere, verantwortungsvolle und die Privatsphäre der Menschen schützende Nutzung ermöglichen", so Berg.

Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com

DJG/pso/mgo

(END) Dow Jones Newswires

January 27, 2021 06:16 ET (11:16 GMT)