TEL AVIV/GAZA (dpa-AFX) - Tausende Menschen haben bei Demonstrationen in Israel den Druck auf die Regierung erhöht, mehr für die Freilassung der von der Hamas entführten Geiseln zu tun. Die Kundgebung der Geiselfamilien am Samstag in der Küstenmetropole Tel Aviv stand unter dem Motto "120 Tage im Untergrund". Seit 120 Tagen befinden sich die noch mehr als 130 Geiseln in der Gewalt der islamistischen Hamas im Gazastreifen. "Herr Ministerpräsident Bibi (Benjamin) Netanjahu, bitte holen Sie sie um jeden Preis nach Hause!", zitierte das Nachrichtenportal "haaretz.com" eine 15-jährige Rednerin, deren Cousin am 7. Oktober in den Gazastreifen verschleppt worden war.

Bei einer anderen Demonstration in Tel Aviv verlangten die Teilnehmer den Rücktritt von Netanjahu und vorgezogene Neuwahlen. Dem Regierungschef warfen sie vor, die Bemühungen um die Freilassung der Geiseln den Erfordernissen seines politischen Überlebens unterzuordnen. Netanjahu regiert zusammen mit ultra-rechten religiösen Parteien. Deren Führer drohen mit der Sprengung der Regierungskoalition, sollte Netanjahu Zugeständnisse an die Hamas machen.

Rund 1000 Menschen demonstrierten auch in Jerusalem für die Freilassung der Geiseln. Ähnliche Proteste und Demonstrationen fanden am Samstag auch in Haifa, in Beerscheba und vor der Villa Netanjahus in Caesarea statt.

Vor dem Hintergrund des Gaza-Kriegs laufen derzeit Bemühungen der USA, Ägyptens und Katars, ein Geisel-Abkommen zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln. Ein Vorschlag, der die stufenweise Freilassung der Geiseln im Gegenzug für eine längere Feuerpause sowie für die Freilassung palästinensischer Strafgefangener vorsieht, soll von den israelischen Verhandlungsführern akzeptiert worden sein und liegt nun der Hamas zur Annahme vor. Dabei handelt es sich um einen Rahmenentwurf, dessen Details dann noch weiter verhandelt werden müssten.

Die Hamas und andere extremistische Organisationen hatten am 7. Oktober den Süden Israels überfallen, 1200 Menschen getötet und rund 250 Geiseln entführt. Auf das schlimmste Massaker in seiner Geschichte reagierte Israel mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive im Gazastreifen. 105 Geiseln waren in der bisher einzigen Feuerpause im November gegen 240 palästinensische Geiseln ausgetauscht worden. Derzeit werden in dem Küstengebiet noch 136 Geiseln festgehalten. Israel geht davon aus, dass knapp 30 von ihnen nicht mehr am Leben sind./gm/DP/he