Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Ein Bündnis aus Mieterbund, Baugewerkschaft sowie Sozial- und Branchenverbänden der Bauwirtschaft hat vor einer "neuen und in ihrer Dimension beängstigenden Sozialwohnungsnot" in diesem Jahr gewarnt. Laut einer Studie, die das Verbändebündnis "Soziales Wohnen" beim Pestel-Institut und beim Bauforschungsinstitut Arge in Auftrag gegeben habe, werde 2023 "mit über 700.000 fehlenden Wohnungen das größte Wohnungsdefizit seit mehr als zwanzig Jahren" bestehen. "Wir müssen davon ausgehen, dass diese Zahl weiter steigt", sagte der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, bei einer Pressekonferenz.

Als Reaktion auf die Ergebnisse der Untersuchung fordere das Bündnis Bund und Länder zu einer gemeinsamen "Sozialwohnungsbau-Offensive" auf. Der Staat müsse dringend ein Sondervermögen "Soziales Wohnen" schaffen. Erforderlich seien in einem ersten Schritt 50 Milliarden Euro bis 2025. Nur so könne es gelingen, bis zum Ende der Legislaturperiode den Neubau von 380.000 Sozialwohnungen noch zu schaffen, so das Bündnis. Nach einem "gescheiterten Sozialwohnungsbau-Jahr 2022", in dem nur rund 20.000 Sozialwohnungen neu gebaut worden seien, würde die Koalition nur damit ihr Versprechen von 400.000 neuen Sozialwohnungen überhaupt noch halten können.

Dazu notwendig sei allerdings, dass der Bund den Großteil des Sondervermögens bereitstelle und "möglichst rasch" mindestens 38,5 Milliarden Euro aufbringe. Ziel des Sonderfonds müsse es sein, "den zu erwartenden Kollaps auf dem sozialen Wohnungsmarkt abzuwenden". Deshalb forderte das Bündnis auch die Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 7 Prozent für den sozialen Wohnungsbau und eine deutlich raschere Bearbeitung von Förderanträgen. Hier müsse dringend ein "Bürokratiebeschleuniger" eingebaut werden.

Darüber hinaus sollen Baurecht und Bebauungspläne den sozialen Wohnungsbau künftig stärker in den Fokus rücken. Ziel müsse es sei, den Bau von Sozialwohnungen deutlich zu erleichtern. Hierzu solle auch ein Sonderprogramm beitragen, das einen Wechsel vom regulären Mietwohnungsbau zum sozialen Wohnungsbau unterstützt. Aus geplanten, aber noch nicht fertig gebauten Wohnhäusern sollten dabei geförderte Sozialwohnungen entstehen, um den Trend zu stoppen, dass Bauprojekte in der Krise aus finanziellen Gründen immer häufiger komplett auf Eis gelegt würden. Auch müsse bundesweit in allen Kommunen "Wohn-Härtefallkommissionen" geben, die gezielt benachteiligte Bevölkerungsgruppen bei der Wohnungsvergabe berücksichtigten.

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January 12, 2023 05:31 ET (10:31 GMT)