Berlin (Reuters) - Bundeskanzler Olaf Scholz hat für mehr Zusammenhalt in Deutschland und Europa geworben und dabei indirekt die AfD und andere rechtspopulistische Parteien scharf kritisiert.

"Wir müssen dafür sorgen, dass Zuversicht wieder wächst in Deutschland und Europa", sagte Scholz in einer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag in Berlin am Mittwoch. "Ein Zurück in die gute alte Zeit (...) wird es nicht geben." Dabei werde er sich aber nicht auf einen Wettbewerb mit populistischen und extremistischen Parteien einlassen.

Deutschland bekenne sich zu Europäischer Union und Nato, betonte der Kanzler mit Blick auf die anstehenden Gipfeltreffen beider Organisationen. "Europa ist für Deutschland eine zentrale nationale Aufgabe." Besorgt äußerte sich der Kanzler darüber, dass viele Menschen bei der Europawahl Parteien gewählt hätten, die EU und Nato infrage stellten. Das Ergebnis sei "ein Einschnitt". In Deutschland sei dies "eine Partei, die gemeinsame Sache macht mit den Vorschlägen des russischen Präsidenten". Aber es würden eben auch drei von vier Wählerinnen und Wählern populistische und extremistische Kräfte nicht unterstützen.

Auch Oppositionsführer Friedrich Merz attackierte die AfD. Der CDU/CSU-Fraktionschef bezog sich auf Aussagen des Kanzlers zum Ukraine-Krieg, bei denen es Zwischenrufe aus den Reihen der AfD-Fraktion gegeben hatte. "Man muss sich schämen, im deutschen Parlament solche Abgeordneten sitzen zu haben", sagte Merz, der den AfD-Abgeordneten Feixen und Lachen während der Ukraine-Aussagen des Kanzlers vorwarf.

SCHOLZ FORDERT REFORMEN IN EU

"Ich sage hier klar, die Europäische Union ist auch noch heute das entscheidende Friedens- und Wohlstandsprojekt unseres Kontinents", so Scholz. "Sie ist wichtiger denn je, und sie kann sich auf Deutschland verlassen." Erforderlich seien aber Reformen der EU, damit weitere Länder beitreten könnten. So müssten auch im EU-Haushalt mehr Prioritäten gesetzt werden. Zugleich brauche es mehr Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit. Kritik übte Scholz an überbordender Bürokratie durch die EU und an der Handelspolitik. "Ich bin mit den Ergebnissen der Handelspolitik der Europäischen Union nicht zufrieden", sagte Scholz. "Wir brauchen mehr Freihandelsabkommen als wir heute haben."

Der EU-Gipfel tagt am Donnerstag und Freitag in Brüssel, der Nato-Gipfel kommt vom 9. bis 11. Juli in Washington zusammen. Mit Blick auf das transatlantische Bündnis dankte Scholz US-Präsident Joe Biden, dass er wie kaum ein anderer für diese enge Zusammenarbeit zwischen Nordamerika und Europa stehe. "Wir werden weiter in engster Abstimmung mit unseren amerikanischen Freunden miteinander arbeiten", sagte der Kanzler.

Zur Arbeit der Bundesregierung äußerte sich Scholz zuversichtlich, dass in den nächsten Wochen eine Einigung auf einen Entwurf für den Bundeshaushalt 2025 gelingen werde. "Wir werden den Haushaltsentwurf im Juli vorlegen." Die Gespräche darüber seien sehr kollegial und sachorientiert. "Dabei haben wir klare Prioritäten", unterstrich Scholz. Es gehe um Sicherheit, auch um Zusammenhalt. "Es darf keine Einschnitte geben bei der sozialen Gerechtigkeit, bei Pflege oder Rente", sagte Scholz. "Auch das ist etwas, was eine klare Priorität der von mir geführten Bundesregierung ist."

(Bericht von Alexander Ratz und Holger Hansen, redigiert von Ralf Bode. Bei Rückfragen wenden Sie sich an berlin.newsroom@tr.com)