STRASSBURG (dpa-AFX) - Nach dem erbitterten Streit über den neuen EU-Parlamentspräsidenten fehlen der Kammer stabile Mehrheiten. Die große Koalition von Sozial- und Christdemokraten sei endgültig vorbei, bekräftigte der sozialistische Fraktionschef Gianni Pittella am Mittwoch. Er war am Vortag in einem Wahlmarathon dem konservativen Kandidaten Antonio Tajani unterlegen, der nur mit einfacher Mehrheit zum Nachfolger des Deutschen Martin Schulz bestimmt wurde.

Dass die Zusammenarbeit der beiden größten Fraktionen darüber zerbrach, macht es für EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schwieriger, Projekte durch das Parlament zu bekommen. "Ich hätte mir gewünscht, dass Martin Schulz auf dem Posten geblieben wäre, auf dem er war", sagte Juncker.

Der Christdemokrat aus Luxemburg hatte sich für eine weitere Amtszeit des Sozialdemokraten Schulz eingesetzt. Die EVP im Parlament machte aber nicht mit. Am Ende setzte sie Tajanis Wahl über ein Bündnis mit den Liberalen durch. Beide Fraktionen haben aber zusammen keine Mehrheit.

Pittella betonte, einzelne Projekte der Kommission könne man sicher auch in Zukunft mittragen, aber nicht mehr automatisch. Sein deutscher Fraktionsvize Udo Bullmann sagte, die Fraktion setze auf eigene inhaltliche Anliegen und vor allem auf eine soziale Agenda. "Wir müssen den Kurs der EU neu bestimmen", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Bei der Wahl der 14 Vizepräsidenten des Parlaments kamen am Mittwoch auch drei Deutsche in Amt und Würden: der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff, der Christdemokrat Rainer Wieland und die Sozialdemokratin Evelyne Gebhardt.

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gratulierte Tajani. Dessen Wahl hatte in Italien Jubel ausgelöst, unter anderem beim ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi, dessen Sprecher Tajani einst gewesen war.

Im Parlament ist der 63-Jährige nicht zuletzt wegen seiner Verbindungen zu Berlusconi umstritten. Auch zu seiner Vergangenheit als EU-Kommissar gibt es kritische Fragen wegen einer möglichen Mitverantwortung für den VW-Abgasskandal.

Grünen-Fraktionschefin Ska Keller forderte Tajani auf, die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Sie erwarte, dass er die Rechte der kleineren Fraktionen respektieren werde, sagte Keller der dpa. Auch die Linke pochte auf Tajanis Zusage, die kleineren Fraktionen mehr zu beteiligen. "Wir erwarten, dass sich Tajani an sein Versprechen hält und uns wie alle demokratischen Fraktionen behandelt", sagte Fraktionschefin Gabi Zimmer der dpa./vsr/DP/stw