Berlin (Reuters) - Finanzminister Christian Lindner lehnt das vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) vorgeschlagene Sondervermögen für milliardenschwere Investitionen ab.

"Die Schaffung von schuldenfinanzierten Sondervermögen ist kein Zaubertrick, der fiskalische und rechtliche Probleme löst", sagte der FDP-Vorsitzende am Mittwoch. "Denn die fälligen Zinsen belasten den zukünftigen Steuerzahler und die europäischen Fiskalregeln gelten auch für Sondervermögen." Der Bund verfüge über hinreichende Einnahmen für erhebliche Investitionen bis 2030. Diese könnten weiter verstärkt werden, wenn Prioritäten in den Haushalten der kommenden Jahre verschoben würden.

Dem BDI zufolge fehlen über die kommenden zehn Jahre Mittel für Investitionen und Förderprogramme von rund 400 Milliarden Euro. Daher sei es vertretbar, präzise zweckgebundene und zeitlich klar definierte Sondervermögen einzurichten, wie der Lobbyverband in Berlin mitteilte, während in der Ampel-Koalition um die Finanzierung des Bundeshaushalts 2025 gerungen wird. "Das Industrieland Deutschland hat über Jahrzehnte zu wenig investiert, und jetzt kommen neue Investitionsbedarfe hinzu", sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm. "Wir müssen die Transformation zu einem klimaneutralen und digitalen Land beschleunigen, das fordert uns in den kommenden zehn Jahren gewaltig." Die Finanzierung dieser und weiterer Bedarfe müsse jetzt dringend geklärt werden. Die im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse sollte nicht - als vermeintlich einfachste Lösung - abgeschafft oder aufgeweicht werden.

"MÜSSEN STANDORT STÄRKEN"

Lindners Koalitionspartner SPD und Grüne sehen sich im Streit über den Bundeshaushalt durch Forderungen des BDI bestärkt. "Wir müssen mit massiven Zukunftsinvestitionen den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken und zukunftsfest machen", sagte SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi der Nachrichtenagentur Reuters. Ein wesentlicher Hemmschuh sei die zu niedrige öffentliche Investitionstätigkeit. Für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und den Erhalt gut bezahlter Arbeitsplätze sei eine über Jahre dauernde massive Investitionsagenda in die Infrastruktur notwendig. "Ein Sparhaushalt gefährdet den wirtschaftlichen Aufschwung und Arbeitsplätze", warnte Schrodi.

"Es ist absolut richtig, dass der BDI Milliarden-Investitionen für Klimaschutz und den Aufbau von Zukunftstechnologien fordert", sagte Grünen-Vizefraktionschef Andreas Audretsch zu Reuters. Der BDI sei mit seiner Forderung nicht allein. "Auch die Gewerkschaften, das Institut der Deutschen Wirtschaft, die Wirtschaftsweisen und viele CDU-Ministerpräsidenten fordern eine grundsätzliche Reform", sagte Audretsch. "Die Schuldenbremse darf nicht zur Zukunftsbremse werden."

Dagegen weist die Union den BDI-Vorstoß zurück. "Sondervermögen lösen die Probleme nicht", sagte der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Christian Haase der "Rheinischen Post". "Es ist ja mittlerweile ein beliebtes Vorgehen von Institutionen, Teilen der Wissenschaft und Politik, permanent neue Sondervermögen und damit schuldenfinanzierte Kassen außerhalb des Bundeshaushalts zur Lösung jedes politischen Problems zu fordern." Überlange Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie fehlende Ingenieure und andere Fachkräfte würden zudem verhindern, dass solche Mittel überhaupt abfließen könnten.

(Bericht von Rene Wagner, Christian Krämer und Holger Hansen, redigiert von Christian Rüttger Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)