BERLIN (Dow Jones)--FDP-Chef Christian Lindner hat scharfe Kritik an den strengeren Kontaktbeschränkungen und schleppenden Schutzkonzepten in der Corona-Pandemie geübt. "Dass unsere Maßnahmen so spät umgesetzt worden sind, ist Ausdruck eines Politikversagens mit Ankündigung", sagte Lindner anlässlich des digitalen Dreikönigstreffens in Stuttgart mit Blick auf die Bund-Länder-Beschlüsse. Dass Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten am gestrigen Dienstag eine verstärkte Test-Strategie in Pflegeheimen beschlossen hätten, sei zwar richtig, hätte aber bereits deutlich früher kommen müssen.

Seine Partei habe lange gefordert, Risikogruppen in besonderer Weise zu schützen. "Nach unserer Überzeugung sollte dort die nationale Kraftanstrengung liegen." Lindner kritisierte auch die Regel, wonach sich ein Haushalt mit nur einer weiteren Person treffen dürfe. "So sehr ich die Notwendigkeit der Kontaktbeschränkung verstehe, so schießt sie über das Ziel hinaus." Die Vorgabe sei "vielfach nicht verhältnismäßig", "nicht praxistauglich" und führe in manchen Fällen "zu inhumanen Ergebnissen". Sinnvoller sei es, Treffen zwischen zwei Haushalten mit bis zu fünf Personen zu ermöglichen. Zudem habe die Möglichkeit, den Bewegungsradius auf 15 Kilometer vom Wohnort einzuschränken, "ungleich andere Auswirkungen im ländlichen Raum als in der Stadt".

Lindner forderte die Bundesregierung weiterhin auf, einen Impf-Gipfel mit der pharmazeutischen Industrie einzuberufen. Es müsse das Ziel sein zu prüfen, wie die Produktion möglicher Impfstoffe in Deutschland gesteigert werden könne. Um weitere mögliche Vakzine zugängig zu machen, sollte auch eine nationale Notfallzulassung nicht ausgeschlossen werden.

Mit dem traditionellen Dreikönigstreffen, das wegen der Pandemie aus dem leeren Stuttgarter Opernhaus übertragen wird, wollen sich die Liberalen auch auf das Bundestagswahljahr einstellen. Die FDP kommt in Umfragen seit Monaten nur auf Werte zwischen 5 und 7 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2017 erreichte sie noch 10,7 Prozent. Die Gespräche über eine Jamaika-Koalition mit Union und Grünen brach die Partei dann jedoch ab und entschied sich für die Oppositionsrolle.

Auch in den Bundesländern fiel die FDP zuletzt hinter die ursprünglichen Wahlergebnisse zurück. So ist der Wiedereinzug der Liberalen in den Landtag in Thüringen ungewiss, wo am 25. April erneut gewählt wird. In Umfragen liegt die Partei dort knapp unter der Fünf-Prozent-Hürde, nach genau 5 Prozent im Oktober 2019. Im Februar 2020 hatte sich Landeschef Thomas Kemmerich mit den Stimmen von AfD und CDU zum Thüringer Ministerpräsidenten wählen lassen. Dies führte zu scharfen Protesten, die sich auch an den Bundesvorsitzenden Lindner richteten, weil er die Wahl durch die Rechtspopulisten nicht verhindert habe. Kemmerich trat daraufhin zurück. Seither regiert in Erfurt erneut Bodo Ramelow (Die Linke) mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung.

In Baden-Württemberg, wo die Partei zuletzt 8,3 Prozent erreichte und wo am 14. März gewählt wird, verliert sie rund 2 Prozentpunkte. In Rheinland-Pfalz schrumpfte die Zustimmung von 6,2 Prozent auf rund 5 Prozent. In Sachsen-Anhalt, wo am 6. Juni gewählt wird, droht die FDP erneut den Einzug ins Parlament zu verpassen.

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January 06, 2021 06:23 ET (11:23 GMT)