Berlin (Reuters) - Serbien soll maßgeblicher Lieferant des Batterie-Rohstoffs Lithium für die europäische Autoindustrie werden und damit die Abhängigkeit von China verringern.

Bundeskanzler Olaf Scholz reist dazu am Freitag nach Belgrad, teilte die Bundesregierung am Mittwoch mit. In Belgrad soll eine Absichtserklärung für ein Rohstoffabkommen mit der EU unterzeichnet werden. Zudem geht es nach Angaben aus Regierungskreisen um eine Absichtserklärung zwischen der serbischen Regierung und den Firmen Rio Tinto, Mercedes-Benz, Stellantis sowie der KfW, EBRD, ElevenEs, EIT InnoEnergy und InoBat. Die Chefs von Mercedes und Stellantis, Ola Källenius und Carlos Tavares, seien vor Ort. Mercedes äußerte sich dazu nicht. Zudem wird der Vizepräsident der EU-Kommission, Maros Sefcovic, teilnehmen.

Seit Jahren sucht die europäische Industrie Lieferanten für Lithium in aller Welt und steht dabei in hartem Wettbewerb mit China, das auf dem Gebiet der E-Autos führend ist. Chinesische Firmen haben sich in vielen Ländern die Lithiumminen und die Weiterverarbeitung gesichert. Chinas Präsident Xi Jinping hatte auf seiner Europareise auch Station in Serbien gemacht.

"Der Abschluss eines Rohstoff-Abkommens zwischen der EU und Serbien wäre sehr wichtig für die Diversifizierung der deutschen und europäischen Industrie", sagte Matthias Wachter, BDI-Abteilungsleiter für Rohstoffe und Internationale Zusammenarbeit. Die Lithium-Vorkommen in Serbien seien erheblich. Rio Tinto schätze, dass sie 58.000 Tonnen pro Jahr fördern könnten. "Dies entspricht etwa 17 Prozent des europäischen Bedarfs", sagte Wachter. Es wär auch ein wichtiger Schritt für die Heranführung Serbiens an die EU.

SERBIENS REGIERUNG GIBT GRÜNES LICHT

Möglich wurde der Deal, weil die serbische Regierung dem Bergbaukonzern Rio Tinto eine 2022 entzogene Lizenz für das größte Lithium-Bergwerk Europas wieder gewährt. Um den geplanten Lithiumabbau gab es in Serbien lange Streit, weil Umweltschützer Rio Tinto massive mögliche Umweltschäden vorwarfen. Rio Tinto hatte wegen der Proteste seine Planung deutlich überarbeitet. Ein serbisches Gerichtsurteil hob vor wenigen Tagen dann die Entscheidung der serbischen Regierung von 2022 auf, die Lizenz wegen fehlender Umweltschutzmaßnahmen zu annullieren. Rio begrüßte die Entscheidung und teilte mit, das Projekt werde strengen Umweltauflagen unterworfen sein, einschließlich einer "ausgedehnten Phase" von Rechts-, Umwelt- und Genehmigungsverfahren und öffentlichen Konsultationen.

Das 2,4 Milliarden Dollar teure Jadar-Lithiumprojekt in Westserbien könnte das Unternehmen zu einem führenden Produzenten des Rohstoffes machen. Serbiens Bergbau- und Energie-Minister Dubravka Djedovic Handanovic sagte der Nachrichtenagentur Tanjug, das Jadar-Projekt stelle "die Zukunft der wirtschaftlichen Positionierung Serbiens in Europa" dar. Das Ziel Serbiens, eines EU-Beitrittskandidaten, ist es, eine lokale Wertschöpfungskette für Elektromobilität, inklusive Batteriefertigung, aufzubauen. Dabei sollen Firmen wie Mercedes und Stellantis als Abnehmer helfen.

Die deutsche Industrie bezieht das für Batterien wichtige Lithium bisher laut BDI vor allem aus Südamerika und Australien. Das zentrale Problem seit aber die Abhängigkeit von China bei der Weiterverarbeitung von Lithium. "Vor diesem Hintergrund ist es sehr zu begrüßen, dass ein Großteil der Weiterverarbeitung direkt in Serbien und damit in Europa erfolgen soll", sagte BDI-Experte Wachter.

VORKOMMEN AUCH IN DEUTSCHLAND

Serbische Umweltschützer kritisierten, dass der Lithiumabbau zu massiven Schäden führen würde und forderten Deutschland auf, lieber heimische Quellen zu nutzen. Tatsächlich gibt es auch in Deutschland Lithium-Vorkommen, wenn auch in geringerem Umfang. Die Firma Zinnwald Lithium GmbH hatte mitgeteilt, dass sie ihre geplante Produktion in einer Mine in Sachsen von 12.000 Tonnen pro Jahr auf bis zu 18.000 Tonnen erhöhen wolle. Ein Abbau soll frühestens 2028 erfolgen.

Auch im Oberrheingraben gibt es große Lithiumvorkommen in Thermalwasser, die in Verbindung mit Geothermie gewonnen werden könnten. Die australische Firma Vulcan Energy plant eine Produktion in Rheinland-Pfalz, eine Pilotanlage läuft schon. Pro Jahr sollen zunächst 24.000 Tonnen Lithiumhydroxidmonohydrat zur Weiterverarbeitung gefördert werden, was für eine halbe Million Batterien reichen würde. Vulcan hat Abnahmevereinbarungen mit den Autobauern Stellantis, Volkswagen und Renault.

(Bericht von Andreas Rinke, Ilona Wissenbach; redigiert von Hans Busemann. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

- von Andreas Rinke und Ilona Wissenbach