Bundesbank-Bilanz im Zeichen der Pandemie Gastbeitrag in WiSt - Wirtschaftswissenschaftliches Studium
11.01.2022Johannes Beermann

Die Bilanzsumme der Deutschen Bundesbank ist in der Corona-Pandemie erheblich gewachsen. Diese Ausweitung ist Ausdruck der starken geldpolitischen Unterstützung in der Krise und dürfte die Bilanz auf absehbare Zeit maßgeblich beeinflussen. Insofern ist die Bilanz einer Notenbank nicht zuletzt auch Spiegelbild ihrer geldpolitischen Aktivitäten.

Im mittlerweile zweiten Jahr beeinflussen die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie die Bilanz der Deutschen Bundesbank erheblich. Die Bilanzsumme für das Jahr 2020 erreichte den höchsten Wert seit Bestehen der Bundesbank. Wichtiger Faktor hinter der Ausweitung der Bilanz waren die geldpolitischen Unterstützungsmaßnahmen in der Krise. Auch die erhöhte gesamtwirtschaftliche Unsicherheit in der Pandemie spielte eine Rolle. Diese Einflussfaktoren haben im Geschäftsjahr 2021 weitergewirkt und dürften sogar an Bedeutung gewonnen haben.

Bilanz einer Notenbank als wichtige Informationsquelle

Bilanzen von Notenbanken stehen im besonderen Fokus, seitdem geldpolitische Entscheidungen über die Festsetzung der Leitzinsen hinausgehen und auch unkonventionelle Maßnahmen wie die Ankaufprogramme von Wertpapieren ergriffen werden (vgl. etwa auch Orphanides, 2016).

Dabei ist die Notenbank-Bilanz selbst kein eigenständiges geldpolitisches Instrument, sondern hier steht die Informations- und Dokumentationsfunktion im Vordergrund. Denn Zentralbanken als öffentliche Institutionen müssen Rechenschaft darüber ablegen, wie sie die ihnen anvertrauten öffentlichen Mittel verwenden und inwieweit sie ihre gesetzlichen Aufgaben effizient erfüllen. Die Bilanz und die damit zusammenhängenden Veröffentlichungen von Geschäftsbericht und Gewinn- und Verlustrechnung dienen daher auch der Kommunikation mit der Öffentlichkeit.

Das Eurosystem als Verbund der nationalen Notenbanken im Euroraum und der Europäischen Zentralbank (EZB) hat sich etwa die Pflicht auferlegt, regelmäßig einen monetären Kurzbericht, den konsolidierten Wochenausweis des Eurosystems, aufzustellen und zu veröffentlichen. Der Bericht unterscheidet unter anderem nach Posten, die im Zusammenhang mit geldpolitischen Operationen stehen - wie die Kreditvergabe an Kreditinstitute über Refinanzierungsgeschäfte und zu geldpolitischen Zwecken gehaltene Wertpapiere - sowie solchen Posten, die nicht mit geldpolitischen Operationen zusammenhängen - etwa Fremdwährungspositionen, Goldforderungen und der Banknotenumlauf.

Der konsolidierte Wochenausweis informiert so die öffentliche Hand, Privatpersonen und Akteure aus der Privatwirtschaft - vom Devisenhändler bis zur Geschäftsbank - über die Forderungen und Verbindlichkeiten des Eurosystems gegenüber Dritten (vgl. hierzu auch EZB, 2012).

Jahresabschluss der Bundesbank als Abbild ihrer Funktionen

In ihrem jährlichen Geschäftsbericht erläutert die Bundesbank wichtige Entwicklungen näher, die im abgelaufenen Kalenderjahr besonders auf ihre Geschäfte gewirkt haben (vgl. etwa Deutsche Bundesbank, 2021a). Der Jahresabschluss der Bundesbank folgt dabei den im Eurosystem verankerten Grundsätzen zur Rechnungslegung und spiegelt die gemeinsame Geld- und Währungspolitik im Euroraum wider. Der Jahresabschluss soll, wie auch gesetzlich vorgegeben, unter Berücksichtigung der Aufgaben der Bundesbank aufgestellt und offengelegt werden (vgl. auch § 26 und § 27 BBankG).

Die Bilanz der Bundesbank bildet wichtige Funktionen ab, die sie einerseits in ihrer Rolle als Bundesbehörde sowie andererseits im Kontext des Europäischen Systems der Zentralbanken ausfüllt. Als Notenbank Deutschlands und integraler Bestandteil des Eurosystems spielt die Bundesbank eine zentrale Rolle bei der Herausgabe von Euro-Banknoten. Der bilanzielle Banknotenumlauf ist eine wichtige Größe auf der Passivseite und stieg in der Pandemie - nicht zuletzt aufgrund der anfänglich stark erhöhten gesamtwirtschaftlichen Unsicherheit in der Corona-Krise - merklich an (vgl. Beermann, 2021a). Daneben ist die Bundesbank auch Hausbank des deutschen Staates. In dieser Rolle wickelt sie etwa den Zahlungsverkehr für die öffentliche Hand ab und erfasst Guthaben des Bundes, der Länder und anderer öffentlicher Einleger auf ihrer Passivseite. Als Hüterin der Währungsreserven verwaltet die Bundesbank die deutschen Goldbestände und hält Forderungen in Fremdwährungen an Ansässige außerhalb des Euro-Währungsgebiets.

In Zeiten der Pandemie oder in anderen Situationen erhöhter gesamtwirtschaftlicher Unsicherheit sind Werte, die bei den Bürgerinnen und Bürger hohes Vertrauen genießen, besonders gefragt - auch das zeigt die Bilanz. So sind im Laufe des Geschäftsjahres 2020 aufgrund der deutlich gestiegenen Goldnotierungen die Goldforderungen auf Basis von Marktpreisen gestiegen. Bewertungsgewinne, die entstehen, wenn der Marktwert bei Gold, Fremdwährungen und Wertpapieren zum Jahresende über dem jeweiligen Anschaffungswert liegt, sind in der Bilanz der Bundesbank jedoch nicht erfolgswirksam. Sie werden vielmehr in einem Ausgleichsposten aus Neubewertung ausgewiesen. Die Bilanz "atmet" in diesem Bereich und entsprechend ist die bilanzielle Neubewertungsreserve für Gold auf der Passivseite im Zeitablauf merklich gewachsen. Im Vergleich zur Eröffnungsbilanz zu Beginn der europäischen Währungsunion am 1. Januar 1999 hat sich die Neubewertungsreserve für Gold bislang in etwa verachtfacht.

Die Bundesbank ist auch die Bank der Banken im deutschen Bankensystem. Geschäftsbanken auf der einen und die Zentralbank auf der anderen Seite sind über die Bilanz miteinander verknüpft: Refinanzierungsgeschäfte auf der Passivseite der Geschäftsbanken spiegeln sich auf der Aktivseite der Notenbank wider. Im Gegenzug halten die Kreditinstitute Guthaben auf ihren Konten bei der Zentralbank. Es waren gerade die Forderungen an Kreditinstitute im Euroraum aus geldpolitischen Operationen, wie längerfristige Refinanzierungsgeschäfte sowie die Ankäufe von Wertpapieren für geldpolitische Zwecke, die im Zuge der Pandemie an Bedeutung gewonnen haben.

Bilanz als Spiegelbild der Pandemie

Alle diese einzelnen Maßnahmen und Entwicklungen finden ihren Niederschlag in der Bilanz der Bundesbank als Ganzes. Insbesondere als Ergebnis ihrer geldpolitischen Aktivitäten in der Corona-Pandemie hat sich die Bilanz im Geschäftsjahr 2020 weiter verlängert. Darüber hinaus sind durch Liquiditätszuflüsse die TARGET2-Forderungen gegenüber der EZB stark gestiegen. So erreichte die Bilanzsumme der Bundesbank 2020 einen neuen Höchstwert und hat sich binnen fünf Jahren um 1,5 Billionen Euro ausgeweitet.

Gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 hat sich die Bilanzsumme um 42 Prozent erhöht - ein beachtlich starker Anstieg im historischen Vergleich. Allein das Pandemie-Notfallankaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme, PEPP) hat zu gut einem Fünftel zur gesamten Ausweitung der Bilanzsumme im Jahr 2020 beigetragen.

Die Bilanzverlängerung hat sich im Verlauf des vergangenen Jahres fortgesetzt. Die Angaben aus dem Statistischen Teil im Monatsbericht der Bundesbank weisen für Anfang November 2021 eine Bilanzsumme von über 2,8 Billionen Euro aus (vgl. Deutsche Bundesbank, 2021b). Das entspricht rund 80 % der Wirtschaftsleistung Deutschlands im Vorkrisenjahr 2019 und einem Anstieg der Bilanzsumme gegenüber dem Stand vom Ende Dezember 2020 um 11 %.

Die Bilanz der Bundesbank ist im Lichte der Pandemie somit nicht bloß ein flüchtiger Schnappschuss der Lage zum Jahresende. Sie dokumentiert vielmehr die tiefen Spuren eines gesamtwirtschaftlichen Schocks historischen Ausmaßes. Um die wirtschaftlichen Folgen einer Krise wie der Pandemie zu bewältigen, spielt auch die Geldpolitik eine bedeutende Rolle. Diese Anstrengungen mit all ihren Auswirkungen schlagen sich in der Bilanz sehr deutlich nieder.

Erhöhte Risikovorsorge in der Pandemie erforderlich

Im Zuge der Corona-Krise sind aber auch die bilanziellenRisiken gestiegen, für die die Bundesbank in ihrem Jahresabschluss Vorsorge zu treffen hat. Die Gewinn- und Verlustrechnung, die ebenfalls im Rahmen des Geschäftsberichts veröffentlicht wird, gibt Aufschluss hierüber. So ist die um 2,4 Mrd. Euro erhöhte Wagnisrückstellung in der Bilanz 2020 ausschließlich auf gestiegene Kredit- und Zinsänderungsrisiken zurückzuführen. Höhere Kreditrisiken entstehen vor allem aus den zusätzlichen Wertpapieren, die die Bundesbank, wie auch die anderen Notenbanken im Eurosystem, in der Pandemie im großen Umfang für geldpolitische Zwecke erworben hat. Daneben hat sich der Anteil längerfristiger Wertpapiere, dem kurzfristige Einlagen der Banken gegenüberstehen, in der Pandemie erheblich ausgeweitet. Aus längerfristigen Zinsbindungsfristen auf der Aktivseite und kurzfristigen Zinsbindungsfristen auf der Passivseite resultieren eine sogenannte offene Zinsposition und damit ein Zinsänderungsrisiko.

Es ist nicht das geschäftspolitische Ziel der Bundesbank, Gewinne zu maximieren. So geht der Reingewinn nach Berücksichtigung einer gesetzlichen Rücklage und der erforderlichen Risikovorsorge für gewöhnlich in den Bundeshaushalt ein. Doch in der Corona-Krise konnte die Bundesbank nach mehr als 40 Jahren keinen Gewinn an den Bund ausschütten. Zuletzt war das 1979 der Fall. Damals wertete der US-Dollar gegenüber der D-Mark zeitweise so kräftig ab, dass die Bundesbank ihre Fremdwährungsreserven bilanziell neu bewerten und Abschreibungen vornehmen musste. Solche Risiken aus Devisenbeständen waren traditionell ein wichtiger Grund für eine entsprechende Risikovorsorge im Jahresabschluss der Bundesbank.

In der Pandemie ist nunmehr die erhöhte Risikovorsorge aus den geldpolitischen Operationen der Hauptgrund für das ausgeglichene Jahresergebnis 2020, nachdem im Vorkrisenjahr 2019 noch ein Jahresüberschuss von 5,8 Mrd. Euro erzielt wurde (vgl. Beermann, 2021b). Für das zuletzt erheblich geringere Jahresergebnis spielen neben der massiven Ausweitung der für die Geschäftsbanken besonders zinsgünstigen Refinanzierung die umfangreichen zusätzlichen Ankaufprogramme eine wesentliche Rolle, wodurch die Zinsaufwendungen der Bundesbank steigen und gleichzeitig die Erträge sinken. Verglichen mit 2019 ist der Nettozinsertrag 2020 um 1,8 Mrd. Euro kleiner ausgefallen.

Auch im Geschäftsjahr 2021 dürfte das Jahresergebnis der Bundesbank von den besonderen Belastungen in der Pandemie geprägt gewesen sein. Deshalb ist eine weitere Aufstockung der Wagnisrückstellung zu erwarten. Zum einen konnte den gestiegenen Risiken 2020 bilanziell nur zum Teil Rechnung getragen werden, obwohl der gesamte Jahresüberschuss zur Risikovorsorge genutzt wurde. Zum anderen hat sich die Risikoeinschätzung im nunmehr abgelaufenen Geschäftsjahr 2021 nicht grundlegend geändert.

Die Corona-Krise dürfte somit die Bilanz der Bundesbank noch für längere Zeit beeinflussen. Die Zahlen für das Geschäftsjahr 2021 wird die Bundesbank auf ihrer Pressekonferenz zur Vorstellung des Geschäftsberichts Anfang März 2022 veröffentlichen.

Literatur:

  • Beermann, J., 2021a, Perspektiven für die Bargeldinfrastruktur, Rede vom 10. November 2021.
  • Beermann, J., 2021b, Jahresabschluss 2020, Rede vom 3. März 2021.
  • Deutsche Bundesbank, 2021a, Der Jahresabschluss der Deutschen Bundesbank für das Jahr 2020, Geschäftsbericht 2020, März 2021, S. 43-81.
  • Deutsche Bundesbank, 2021b, Konsolidierter Ausweis des Eurosystems, Statistischer Teil Monatsbericht, November 2021, S. 16-19.
  • EZB, 2012, Die Finanzausweise des Eurosystems, Monatsbericht, April 2012, S. 97-110.
  • Orphanides, A., 2016,Fiscal implications of central bank balance sheet operations, CEPR Discussion Paper No. DP11383.
  • Beermann, Bundesbank-Bilanz im Zeichen der Pandemie

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