Berlin/München (Reuters) - Nach dem Scheitern der Gespräche zwischen Bund und Ländern über eine Hochwasser-Pflichtversicherung geht die Debatte um einen besseren Schutz vor Naturgefahren weiter.

Die Bundesregierung und die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer konnten sich am Donnerstag nicht einmal auf einen Minimalkompromiss verständigen, weil die Länderchefs auf einer Pflichtversicherung beharrten. "Wir bedauern es, dass sich Bund und Länder nicht auf eine Lösung einigen konnten, die dazu führt, dass mehr Menschen als bisher ihr Eigentum gegen Extremwetterrisiken absichern", sagte der Hauptgeschäftsführer des Versichererverbandes GDV, Jörg Asmussen, am Freitag in Berlin. Die vom Justizministerium skizzierte Angebotspflicht an alle Hausbesitzer wäre aus Sicht der Branche "ein akzeptabler Kompromiss gewesen".

Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) drängte auf eine zügige Lösung: "Entscheidend ist, dass nun schnell eine solidarisch ausgestaltete Lösung gefunden wird, die weder Mieter noch Hausbesitzer finanziell überfordert." Doch gerade in hochwassergefährdeten Gebieten könnten risikogerechte Prämien in deutlich vierstelliger Höhe fällig werden - oder kostspielige Schutzmaßnahmen für Keller und Häuser. Das ließe sich nur durch staatliche Zuschüsse ausgleichen. Dabei will die Politik durch eine höhere Versicherungsdichte eigentlich verhindern, dass bei Überschwemmungen automatisch nach dem Staat gerufen wird, der Betroffenen finanziell hilft.

Lemke erklärte, mit dem Klimaanpassungsgesetz, das zum 1. Juli in Kraft tritt, müssten die Folgen des Klimawandels bei Planungen ohnehin berücksichtigt werden. Das Umweltministerium arbeite zudem mit den Ländern an einem verbesserten Hochwasser-Schutzgesetz. Die Bundesländer könnten eine Pflichtversicherung gegen Elementargefahren wie Hochwasser, Starkregen und Schnee auch in Eigenregie beschließen, bisher prescht aber noch keines der 16 Länder vor. Bisher gibt es in Deutschland nur wenige Pflichtversicherungen: für Autobesitzer, für Hundebesitzer, für Jäger und eine für Berufe wie Ärzte, Apotheker oder Architekten.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) lehnte nach dem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) den Vorschlag von Bundesjustiziminister Marco Buschmann erneut ab. "Freiwilligkeit wird das Problem nicht lösen. Wir halten eine Pflichtversicherung weiter für richtig." Die Versicherungsquote, die nach Branchenangaben derzeit bei 54 Prozent liegt, steige trotz Katastrophen wie im Ahrtal nur um ein bis zwei Prozent pro Jahr an. "Das ist zu wenig und das geht deutlich zu langsam", sagte Rhein. Nun soll es nochmals Gespräche auf Arbeitsebene geben. "Wir werden nichts auf die lange Bank schieben", sagte Scholz.

Buschmann hatte vor den Ministerpräsidenten erneut für die Angebotspflicht geworben: Bei neuen Verträgen sollen die Unternehmen Elementargefahren wie Hochwasser und Schneedruck in die Versicherungspolice einbeziehen, die Kunden könnten den Schutz aber ablehnen. Bei bestehenden Verträgen sollen die Hausbesitzer ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass ihnen dieser Versicherungsschutz fehlt. Die Versicherer glauben, dass sich die Abdeckungsquote dadurch auf 75 bis 80 Prozent erhöhen ließe.

Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Bundestag, Johannes Fechner, sprach sich bei einer Tagung mit Verbraucherschützern erneut für das halbstaatliche französische Modell zur Naturkatastrophen-Deckung aus. "Wir müssen in Deutschland bei schwierigen Fragen das Rad nicht neu erfinden. Und in Frankreich haben wir ein funktionierendes System, wie die Bürgerinnen und Bürger sich günstig gegen Elementarschäden versichern können", zitierte ihn das Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz (ZEV) in Kehl. Er habe wenig Verständnis für den Widerstand des Justizministers. Auch die Versicherer halten die französische Lösung aber für unpraktikabel. Zudem biete es wenig Anreize, das eigene Haus vor Naturgefahren zu schützen.

(Bericht von Alexander Hübner, redigiert von Jörn Poltz; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)