Von Andreas Kißler

BERLIN (Dow Jones)--Der Bund hat im vergangenen Jahr 23,5 Milliarden Euro weniger an neuen Schulden aufgenommen als ursprünglich im Budgetplan veranschlagt. Die Nettokreditaufnahme belief sich im vergangenen Jahr nach vorläufigen Zahlen auf 115,4 Milliarden Euro, wie das Finanzministerium mitteilte. Der vom Bundestag beschlossene Budgetplan hatte hingegen 138,9 Milliarden an neuen Schulden vorgesehen. Laut den Angaben wurden um 14,5 Milliarden Euro geringere Ausgaben getätigt als erwartet, und es wurden um 9,0 Milliarden höhere Einnahmen verbucht.

"Der vorläufige Jahresabschluss 2022 unterstreicht die Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft", erklärte das Ministerium. Die Entlastungsmaßnahmen der Regierung trügen dazu bei, dass die Konjunktur sich robuster zeige als gedacht. "Mit Blick auf die Ausgaben mussten weniger Mittel bei der Abmilderung von Krisenfolgen im wirtschaftlichen und sozialen Bereich verausgabt werden", so das Ministerium.

"Der Haushaltsabschluss zeigt zum einen, dass wir nicht auf Biegen und Brechen alle rechtlichen Möglichkeiten der Kreditaufnahme ausschöpfen, sondern nur soweit wie nötig", betonte Finanzminister Christian Lindner (FDP). Zum anderen zeige sich, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden müssten, damit Investitionsmittel wirklich genutzt würden. "Jedenfalls mangelt es nicht an Kapital im Haushalt für die Zukunftsgestaltung, sondern aufgrund bürokratischer Bremsen an Tempo."


   Belastungen aus Ukraine-Krieg und Corona-Krise geringer als gedacht 

Die geringeren Ausgaben waren laut einem hochrangigen Beamten aus dem Ministerium auf "wenige, aber wenige bedeutende Tatbestände" zurückzuführen. So sei die Vorsorge für unvorhergesehene Mehrbelastungen aus Ukraine-Krieg und Corona-Krise nicht in dem Umfang in Anspruch genommen worden wie geglaubt. Für Belastungen wegen des Ukraine-Kriegs wurden demnach Minderausgaben von 5,1 Milliarden Euro und für die Corona-Krise von 2,6 Milliarden Euro verbucht.

"Die Zinsen sind um rund eine Milliarde Euro geringer als wir gedacht haben", sagte der Beamte zudem. "Aber die Tendenz ist weiterhin bei den Zinsen nach oben gerichtet". Insgesamt hätten sich damit Minderausgaben von über 20 Milliarden Euro ergeben, sie wurden laut den Angaben aber noch um 6 Milliarden Euro geschmälert, die zum Jahresende an die Rentenversicherung zur Zahlung der Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner überwiesen wurden.

Die tatsächlichen Investitionsausgaben beliefen sich 2022 laut Finanzministerium auf 46,2 Milliarden Euro und lagen damit unter den veranschlagten 51,5 Milliarden Euro. "Sie waren belastet von krisenbedingten Liefer- und Leistungsengpässen und erreichen dennoch den historisch zweithöchsten Wert im Bundeshaushalt nach dem Jahr 2020", so das Ministerium. Damals seien es 50,3 Milliarden Euro gewesen. Der Ausschöpfungsgrad der Investitionen sei gegenüber dem Vorjahr um 12,5 Prozentpunkte auf 89,7 Prozent erhöht worden.

Die höheren Einnahmen beruhten mit 8,7 Milliarden Euro fast vollständig auf Steuereinnahmen, für die vorläufig 337,2 Milliarden Euro verzeichnet wurden. Sie lagen damit laut Finanzministerium in der Summe aber in etwa auf dem Niveau des Ergebnisses der Steuerschätzung vom vergangenen Oktober. An Verwaltungs- und Münzeinnahmen wurde ein um 0,3 Milliarden Euro höherer Betrag von 28,7 Milliarden Euro verbucht.

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January 12, 2023 10:14 ET (15:14 GMT)