BERLIN (Dow Jones)--Ein Brexit mit einem tiefen und umfassenden Freihandelsabkommen hat deutlich geringere Auswirkungen auf die Wirtschaft als das zum Jahreswechsel noch abgewendete No-Deal-Szenario. Das geht aus einem Szenario im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, den das Münchner Ifo-Institut und das Institut für Weltwirtschaft Kiel noch im Vorfeld des kürzlichen Abschlusses der Verhandlungen entwickelt haben. Die Auswirkungen auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt hätten sich demnach auch schon realisiert, da der Handel mit Großbritannien in Erwartung des Brexit seit geraumer Zeit rückläufig sei.

Die Studienautoren berechneten, dass das reale Bruttoinlandsprodukt durch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union langfristig um 0,14 Prozent sinke, was rund 4,9 Milliarden Euro entspricht. Ohne ein Abkommen hätte der Rückgang bei 0,53 Prozent gelegen. Für die EU berechneten die Institute einen BIP-Verlust um 0,16 Prozent, der sogar bei 0,62 Prozent hätte liegen können. Besonders nachteilig seien die Effekte für das Vereinigte Königreich selbst: Dort soll die Wirtschaft um 0,95 Prozent schrumpfen. Im No-Deal-Szenario wären es langfristig sogar minus 3,37 Prozent gewesen.

Viele Effekte seien bereits eingetreten. So gingen die deutschen Güterexporte auf die Insel seit 2016 nominell von 90 Milliarden Euro auf 84 Milliarden zurück, besonders im Fahrzeugbau und im Chemiesektor. Die Importe stiegen von 38 auf 40 Milliarden, vermutlich begünstigt durch die deutliche Abwertung des Pfund. Die 27 verbleibenden EU-Staaten und Drittländer wie China und die USA haben demgegenüber für die deutsche Wirtschaft als Absatzmarkt an Bedeutung gewonnen.


Altmaier: Effekte des Brexits geringer als vielfach befürchtet 

Es bestünden auch keine starken Lieferabhängigkeiten deutscher Produzenten von Großbritannien, heißt es in der Aktualisierung der Studie "Ökonomische Effekte eines 'Brexit' auf die deutsche und europäische Wirtschaft" aus dem Jahr 2017 weiter. Zudem sei der deutsche Handel recht diversifiziert.

Aus Sicht von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) zeigt die Studie, dass sich deutsche Unternehmen bereits auf den Austritt des Vereinigten Königreichs aus dem EU-Binnenmarkt eingestellt hätten. "Die unmittelbaren Effekte des Brexits auf die zukünftigen Handelsverflechtungen mit dem Vereinigten Königreich dürften geringer ausfallen, als vielfach befürchtet", so Altmaier.

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January 05, 2021 07:20 ET (12:20 GMT)