Von Justin Lahart

WASHINGTON (Dow Jones)--So stark wie die Überschrift des am Donnerstag veröffentlichen Berichts zum Bruttoinlandsprodukt suggerierte, entwickelte sich die US-Wirtschaft im vierten Quartal wohl doch nicht. Trotzdem lief es nicht wirklich schlecht, und auch dieses Jahr könnte besser werden als befürchtet.

Das Handelsministerium meldete, dass das BIP im vierten Quartal mit einer inflationsbereinigten Jahresrate von 2,9 Prozent gegenüber dem Vorquartal gewachsen ist. Das war ein Tick besser als von Ökonomen erwartet und nur ein Hauch schwächer als das dritte Quartal mit 3,2 Prozent. Der leichte Rückgang des BIP in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres ist längst wieder wettgemacht und scheint nur noch eine ferne Erinnerung zu sein.

Ein Blick auf die Details des BIP-Berichts zeigt ein eher gemischtes Bild. Die Verbraucherausgaben waren stabil und wuchsen um 2,1 Prozent gegenüber 2,3 Prozent im dritten Quartal. Bei den Investitionsausgaben war jedoch eine deutliche Verlangsamung zu verzeichnen, da die privaten Anlageinvestitionen außerhalb des Wohnungsbaus nur um 0,7 Prozent zunahmen.

Der Wohnungsbau belastet die Wirtschaft weiterhin, wobei die Wohnungsbauinvestitionen um 26,7 Prozent zurückgingen. Das allein war genug, um das BIP-Wachstum um etwa 1,3 Prozentpunkte zu schmälern.


   Mehrere Faktoren beeinflussen das Wachstum 

Darüber hinaus wurde das BIP im abgelaufenen Quartal aber auch durch zwei häufig schwankende Kategorien gestützt. Die erste Kategorie betrifft die Lagerbestände. Sie nahmen zu, nachdem sie im dritten Quartal geschrumpft waren. Diese Aufstockung bedeutete, dass die Unternehmen mehr produzierten als sie zur Deckung der Nachfrage benötigten. Das trug zum BIP-Wachstum fast 1,5 Prozentpunkte bei. Der zweite Faktor war der Handel. Die US-Exporte gingen im vierten Quartal zwar etwas zurück, aber noch stärker sanken die Importe. Die Verringerung des Handelsdefizits trug fast 0,6 Prozentpunkte zum Wachstum bei.

Die Verkäufe an heimische Endverbraucher legten mit einer Jahresrate von 0,2 Prozent kaum zu. Diese Kategorie schließt die Auswirkungen von Lagerbestandsschwankungen, Handel und Staatsausgaben aus und ist nach Ansicht von Ökonomen besser geeignet, den Nachfragetrend abzubilden. Das verheißt nichts Gutes für das Wachstum in diesem Jahr, zumal die drastische Anhebung der Zinssätze durch die US-Notenbank weiterhin auf die Wirtschaft einwirkt.

Dennoch hat die Wirtschaft auch ein paar gute Seiten. Die erste ist der Arbeitsmarkt. Selbst wenn die Zahl der großen Unternehmen, die Entlassungen ankündigen, weiter zunimmt, scheint die Nachfrage nach Arbeitskräften insgesamt noch groß zu sein. Das Arbeitsministerium meldete am Donnerstag, dass in der am Samstag zu Ende gegangenen Woche saisonbereinigt 186.000 Anträge auf Arbeitslosenunterstützung gestellt wurden. Das waren weniger als in der Vorwoche (192.000) und die wenigsten seit dem Frühjahr, als die wöchentlichen Anträge den niedrigsten Stand seit 1968 erreichten. Solange die Beschäftigung nicht ins Stocken gerät, werden die Menschen auch Geld ausgeben können.

Ein weiterer Faktor ist der Handel. Dieser kann unbeständig sein, aber ein Grund für den Rückgang der Importe im vierten Quartal ist wahrscheinlich, dass die Amerikaner angesichts der abklingenden Pandemie-Sorgen weniger Waren kaufen, die oftmals im Ausland hergestellt werden. Stattdessen lenken sie ihre Ausgaben stärker auf Dienstleistungen.


   Positive Anzeichen 

Obwohl in weiten Teilen der Welt immer noch ein riesiges Durcheinander herrscht, gab es in letzter Zeit einige Lichtblicke. Niedrigere Energiepreise halfen zum Beispiel den europäischen Volkswirtschaften. Das könnte den US-Exporten nützen, ebenso wie die Tatsache, dass Dienstleistungen einen beträchtlichen Teil der US-Exporte ausmachen.

Dem US-Immobilienmarkt droht wahrscheinlich ein weiteres düsteres Jahr, auch wenn es nicht ganz so schlimm kommen dürfte wie zuletzt.

Die Hypothekenzinsen sind seit dem Herbst gesunken, und die Stimmung unter den Bauherren ist nicht mehr ganz so mies. Auch wenn der Wohnungsbau nicht viel zum BIP beitragen kann, wird er es wahrscheinlich nicht weiter nach unten ziehen, wie es im letzten Quartal der Fall war.

Die Wirtschaft steht im kommenden Jahr vor vielen Hürden. Aber auch eine Rezession hat noch keine freie Bahn.

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January 27, 2023 03:53 ET (08:53 GMT)