FRANKFURT (dpa-AFX) - Die am Donnerstag vorgelegten Wachstumszahlen aus Deutschland für 2015 interpretieren die meisten Experten positiv. Die Binnennachfrage habe die Konjunktur gestützt, so das Urteil. Auch für dieses Jahr rechnen Ökonomen daher mit einem deutlichen Plus. Aber es gebe auch Risiken.

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) legte laut dem Statistischen Bundesamt 2015 um 1,7 Prozent zu und lag damit im zweiten Jahr in Folge über dem Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre (1,3 Prozent). "Wichtigster Motor war der Konsum", sagte der Präsident der Behörde, Dieter Sarreither. Staat und private Haushalte waren demnach fast allein für das Wirtschaftswachstum verantwortlich.

"Die Binnennachfrage war auch 2015 der Haupttreiber der Konjunktur in Deutschland", kommentierte Stefan Kipar, Experte bei der Bayerischen Landesbank. "Reale Kaufkraftgewinne und das niedrige Zinsniveau sorgen dafür, dass der Sparanreiz gering blieb und der Konsum aber auch die Investitionen angeschoben wurden." Der deutlich gestiegene staatliche Konsum sei auch auf Ausgaben für Flüchtlinge zurückzuführen.

Die vorgelegten Wachstumszahlen bestätigten weitgehend die Schätzungen von Ökonomen. Ralph Solveen, Analyst bei der Commerzbank, sieht die Daten allerdings eher von der negativen Seite. "Da die Ergebnisse für die ersten drei Quartale bekannt waren, dürfte dies niemanden überrascht haben", so Solveen. "Allerdings dürfte manchen enttäuscht haben, dass das reale Bruttoinlandsprodukt im vierten Quartal wohl erneut nur um etwa 1/4 Prozent gegenüber dem Vorquartal zugelegt hat."

Die Commerzbank sehe sich daher in Ihrer Wachstumsprognose für 2016 von 1,3 Prozent bestätigt, so Solveen. Diese Schätzung liegt deutlich unter den Prognosen der meisten Ökonomen. Optimistischer sind zum Beispiel die Experten der Bayerischen Landesbank. Die Frühindikatoren signalisierten, dass die temporäre Schwächephase im Herbst 2015 zunehmend überwunden worden sei, heißt es in einer Studie. Für 2016 sei ein Wachstum von 1,8 Prozent zu erwarten.

Christian Lips, Analyst bei der Landesbank Nord/LB, rechnet sogar mit einem Wachstum um 1,9 Prozent in diesem Jahr. "Die Vorzeichen für ein erneut kräftiges Konsumplus sind sehr günstig", so der Experte. "Der jüngste Ölpreisrückgang wirkt wie ein kleines Konjunkturprogramm, zumal das Niedrigzinsumfeld kaum Sparanreize bietet."

Doch es gibt auch Risiken. Diese lägen eher im politischen als im ökonomischen Bereich, meint Holger Schmieding, Chefvolkswirt bei der Berenberg Bank. Ein Austritt Großbitanniens aus der Europäischen Union (EU) beispielsweise könne verheerende Auswirkungen auf den Inselstaat und damit auch auf den Handelspartner Deutschland haben. Zudem gelte: "Jede politische Entwicklung, die die Europäische Integration gefährdet, könnte sich auf die Wirtschaftsstimmung und die Investitionen auswirken."/tos/jsl