18. Januar 2016


'Im Vergleich zum weltweiten Wachstum im Luftverkehr hinkt Deutschland hinterher'

Für 2016 erwarten die deutschen Flughäfen ein Passagierwachstum von mehr als drei Prozent. Im internationalen Vergleich hinkt die Branche damit hierzulande hinterher, sagt Ralph Beisel, Chef des Flughafenverbandes ADV. Und das hat seine Gründe. Die deutsche Luftverkehrswirtschaft wächst, doch das Wachstum könnte stärker ausfallen. Ursache dafür sind regulative Rahmenbedingungen, sagt Ralph Beisel, Hauptgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen (ADV). Was die ADV vom neuen, nationalen Luftverkehrskonzept erwartet, welche Rolle Billigflieger für die deutsche Luftfahrt spielen und was das Jahr 2016 bringen wird, erläuterte er jetzt gegenüber airliners.de.

In diesen Tagen wird ein nationales Luftverkehrskonzept erarbeitet. Gehen Sie davon aus, dass Ihre bislang gestellten Forderungen beispielsweise zum Thema Nachtflug berücksichtigt sein werden?

Ralph Beisel: Laut Prognosen werden in 15 Jahren mehr als 300 Millionen Fluggäste ihre Reise an einem deutschen Flughafen beginnen oder beenden. Mit Blick auf dieses prognostizierte Verkehrswachstum ist Deutschland mehr denn je auf einen leistungsstarken, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Luftverkehrsstandort angewiesen. Das nationale Luftverkehrskonzept bietet hier eine enorme Chance. Viele der vorgelegten Maßnahmenvorschläge sind aus Sicht des Flughafenverbandes ADV zielführend und richtig. Die vorgeschlagene Abschaffung der Luftverkehrsteuer oder der Zugang zum Luftverkehrsmarkt durch liberale Luftverkehrsverhandlungen sind wichtige Stellschrauben für den zukünftigen Erfolg der Luftverkehrsbranche. Auch die empfohlene Absenkung von Luftsicherheitskosten, eine optimierte Slot-Vergabe sowie der Erhalt wettbewerbsfähiger Betriebszeiten sollten im Luftverkehrskonzept festgeschrieben werden. Die deutschen Flughäfen sind zuversichtlich, dass die Bundesregierung in den kommenden Monaten ein attraktives Gesamtpaket schnüren wird, das die Wettbewerbsfähigkeit von Airlines und Flughäfen stärkt.

Für das Jahr 2014 war der BDL zu dem Schluss gekommen, dass die deutsche Luftfahrt international nicht mehr mithalten kann. Jetzt haben die Flughäfen trotz Lufthansa-Streiks reihenweise Rekord-Passagierzahlen vermeldet. Wie passt das zusammen?

Beisel: Im letzten Jahr haben viele ausländische Fluggesellschaften neue attraktive Strecken von den deutschen Flughäfen angeboten. Sie kurbeln damit das Luftverkehrswachstum in Deutschland an. Für das Jahr 2015 rechnet der Flughafenverband ADV trotz internationaler Krisen und Streiks mit einem Verkehrswachstum von mehr als vier Prozent. Damit wird das Vorjahresergebnis, bei dem die Flughäfen um gut drei Prozent gewachsen waren, noch einmal getoppt. Auch der Blick in die Zukunft stimmt uns zuversichtlich. Für das Jahr 2016 prognostiziert die ADV solide Zuwächse bei den Passagierzahlen, bei den Flugbewegungen und im Cargobereich. Damit setzt sich der langfristige Wachstumstrend der Luftverkehrsnachfrage fort. Entscheidend ist aber der Blick über den Tellerrand - im Vergleich zum weltweiten Wachstum im Luftverkehr hinkt Deutschland hinterher. Ursächlich dafür sind die regulativen Rahmenbedingungen. Es ist richtig, dass unsere deutschen Airlines nicht die Unterstützung erhalten wie wichtige Wettbewerber in der Türkei oder den Golfstaaten. Gleichwohl bin ich mir auch der Stärken unserer Airlines bewusst. Sie punkten durch einen hohen Kundenservice und durch ein attraktives Streckennetz. Ich bin überzeugt, dass die eingeschlagenen Optimierungsmaßnahmen greifen werden. Handlungsbedarf besteht weiterhin bei der Politik. Hier warten Airlines und Flughäfen noch auf die Umsetzung der ausgemachten Zusagen.

Wie bewerten Sie den Trend, dass es sogenannte Billigflieger verstärkt an größere Airports zieht?

Beisel: Die Nachfrage nach Luftverkehr wächst. Für das neue Jahr erwarten die deutschen Flughäfen ein Passagierwachstum von mehr als drei Prozent. Diese Nachfrage muss bedient werden. Seit zwei Jahren befindet sich der Luftverkehrsmarkt nicht nur in Deutschland in einem steten Wandel. Durch die Konsolidierungs- und Restrukturierungsprozesse der deutschen Airlines gab es im Markt eine Angebotsverschiebung. Ausländische Airlines wissen um die Attraktivität des deutschen Marktes. Sie leisten einen wichtigen Beitrag, die Konnektivität zu verbessern. Für die deutschen Flughäfen ist es wichtig, dass für Millionen Flugreisendende ein attraktives Gesamtangebot zur Verfügung steht. Davon profitieren Regionen, Wirtschaft und Tourismus, also letztendlich die Privat- und Geschäftsreisenden.

Welche weiteren Themen werden aus Ihrer Sicht die deutsche Luftverkehrswirtschaft in diesem Jahr beschäftigen?

Beisel: In diesem Jahr wird es darum gehen, die Wettbewerbsfähigkeit des Luftverkehrsstandortes Deutschland konkret zu fördern. Trotz erheblichen Wachstums haben im Jahr 2015 nur 9 von 22 Flughäfen überhaupt Gewinne erzielen können. Die Sicherstellung kostendeckender Flughafenentgelte ist mehr denn je unerlässlich. Nur so kann die Nutzerfinanzierung im Luftverkehr auch in Zukunft erhalten bleiben. Ein weiteres wichtiges Thema werden die Kapazitätserweiterungen sein. Mit Blick auf das Passagierwachstum bleibt es mittelfristig unverzichtbar, dass Flughäfen bedarfsgerecht wachsen können. Dort, wo der Verkehr brummt, muss - im Einklang mit Anwohnern und lokaler Politik - eine standortbezogene Entwicklung möglich sein. Zudem besteht ein hoher Handlungsbedarf bei der künftigen Ausgestaltung der Luftsicherheitskontrollen. Alle Maßnahmen müssen operativ umsetzbar, effizient und finanzierbar sein und dürfen den Reisekomfort nicht unangemessen beeinträchtigen. An diesem Thema werden die Flughäfen im Jahr 2016 intensiv mit ihren Partnern und den Behörden weiterarbeiten. Auch in Brüssel wird es ein spannendes Jahr: Die EU-Kommission hat vor wenigen Wochen ihre lang erwartete EU-Luftverkehrsstrategie vorgestellt. Die nationale Auslegung der europäischen EASA-Vorgaben wird die deutschen Flughäfen im Jahr 2016 intensiv beschäftigen. Hier gilt es, das hohe deutsche Sicherheitsniveau an allen Flughäfen zu berücksichtigen. Eine überbordende, zusätzliche Safety-Regulierung muss unterbunden werden.

Quelle: www.airliners.de

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