Zwischen Handelskrieg und Erfolgsmodell

Nvidia hat seine Zahlen für das erste Quartal des Geschäftsjahres 2026 veröffentlicht – in einem so schwierigen Umfeld wie selten zuvor. Strafzölle in „Trump-Manier“, verschärfte Exportverbote für KI-Chips nach China und ein geopolitisch aufgeheiztes Klima stellen die Branche auf die Probe. Nach einem schwachen Jahresauftakt – Stichwort DeepSeek-Episode – haben sich die Bewertungen amerikanischer KI-Konzerne inzwischen weitgehend erholt. Nvidia lag zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 14 % unter dem Allzeithoch. Die Erwartungen waren entsprechend hoch – und Nvidia wurde ihnen mit einer starken Performance gerecht. Das Resultat: +5 % nach Handelsschluss.

Exportbeschränkungen: Belastung mit Ansage

Bevor es zu den Zahlen geht, lohnt sich ein Blick auf den regulatorischen Hintergrund. Die USA haben die Exportrestriktionen für KI-Halbleiter nach China verschärft. Nvidia hatte mit der speziell angepassten H20-GPU eine Antwort parat – ein Bestseller auf dem chinesischen Markt. Doch im April musste das Unternehmen einräumen, bestimmte Lieferungen künftig nicht mehr bedienen zu können, und kündigte in der Folge Abschreibungen von 5,5 Milliarden US-Dollar für das Quartal an.

Dank einer besseren Wiederverwendung von Komponenten konnte dieser Posten schließlich auf 4,5 Milliarden Dollar reduziert werden. Nvidia verlor im ersten Quartal rund 2,5 Milliarden Dollar Umsatz durch die H20-Thematik – konnte aber dennoch 4,6 Milliarden Dollar Umsatz generieren, da chinesische Kunden vor Inkrafttreten der neuen Regeln Hamsterkäufe tätigten. China machte somit 12,5 % des Quartalsumsatzes aus. Ohne diese Vorzieheffekte hätte der Gesamtumsatz nur rund 7 Milliarden Dollar betragen.

Doch der Ausblick trübt sich ein: Finanzchefin Colette Kress warnt für das zweite Quartal vor einem „signifikanten Rückgang der Umsätze im Bereich Data Center in China“, mit einem geschätzten Ausfall von 8 Milliarden Dollar. Sie ergänzt: „Das eigentliche Problem ist das Marktvolumen, das wir nicht mehr bedienen können. Wir rechnen mit entgangenen Aufträgen im Umfang von 50 Milliarden Dollar, weil wir kein konformes Produkt für China haben.“ Während Nvidia ins Hintertreffen gerät, positioniert sich Huawei mit seinen Ascend-Chips zunehmend als ernstzunehmender Herausforderer.

Beeindruckende Zahlen – bei begrenzter Sichtweite

Im Detail lieferte Nvidia einen Umsatz von 44,062 Milliarden Dollar für das erste Quartal – deutlich über den Erwartungen (43,298 Mrd. laut FactSet). Der bereinigte Gewinn lag bei 0,81 Dollar je Aktie, und sogar bei 0,96 Dollar ohne Sondereffekte – ebenfalls über den Schätzungen von 0,93 Dollar (LSEG).

Für das zweite Quartal peilt Nvidia 45 Milliarden Dollar Umsatz an – etwas unter dem Konsens von 45,9 Milliarden. Dieser Ausblick berücksichtigt bereits die entgangenen 8 Milliarden Dollar aus dem China-Geschäft. Die Anleger zeigen sich dennoch erleichtert: Der Kurs steigt nachbörslich um 5 %, was zeigt, dass der Markt Schlimmeres erwartet hatte. Analyst Gil Luria von D.A. Davidson kommentiert: „Die Auswirkungen der H20-Restriktionen fielen weniger gravierend aus als befürchtet.“

Zukunftsperspektiven und neue Produkte

Nvidia plant im zweiten Quartal die Markteinführung seines neuen Servers GB300 NVL72, einer aufgerüsteten Version des GB200, ausgestattet mit den neuen Blackwell Ultra-GPUs. Damit bleibt Nvidia auf der Pole-Position in der KI-Infrastruktur – insbesondere im vielversprechenden Bereich der Inference-Anwendungen. CEO Jensen Huang betont: „Wir stehen erst ganz am Anfang – die Technologie ist noch kaum verbreitet.“

Konkurrenz und technologische Herausforderung

Während Nvidia in China bereits Terrain verliert, kündigt sich auch auf anderen Märkten Konkurrenz an. Laut SemiAnalysis bereitet AMD hinter den Kulissen seine MI450X-Reihe vor, die in der zweiten Jahreshälfte 2026 erscheinen soll. Sollte sie halten, was sie verspricht, könnte sie ein ernsthafter Rivale für Nvidias geplante VR200 NVL144 werden.

Nvidia wird seinen technologischen Vorsprung weiter ausbauen müssen – in Bereichen wie 6G-Telekommunikation, Robotik, Automatisierung und quantengestützte Rechenarchitektur. Besonders entscheidend ist die Sicherung der Lieferketten, insbesondere bei den sensiblen Produktionsschritten Test und Verpackung – hier wurden zuletzt Fortschritte gemacht. Hinzu kommt eine geopolitische Diversifizierung durch strategische Partnerschaften mit Akteuren aus Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Nicht zuletzt profitiert Nvidia weiterhin von seiner 2006 lancierten Open-Source-Plattform CUDA, die nach wie vor als wesentlicher Wettbewerbsvorteil gilt.

Fazit

Trotz eines regulatorisch und geopolitisch herausfordernden Umfelds hat Nvidia einmal mehr geliefert – und das Vertrauen des Markts zurückgewonnen. Die Einführung der Blackwell-GPUs dürfte mittelfristig als Wendepunkt gelten. Der Konzern behauptet seine Vormachtstellung in der KI, zeigt sich innovationsfreudig und strategisch vorausschauend – ein positives Signal für Anleger, auch wenn die Sicht auf die zweite Jahreshälfte verhaltener bleibt.