Frankfurt (Reuters) - Die Gewerkschaft Verdi und die Lufthansa-Tochter Discover Airlines haben sich erstmals auf einen Tarifvertrag geeinigt.

Zuvor waren Verhandlungen mit den anderen beiden Gewerkschaften Vereinigung Cockpit (VC) und der Flugbegleitergewerkschaft UFO gescheitert. Die zum Jahresanfang erhöhten Vergütungen der rund 500 Cockpitbeschäftigten werden tarifvertraglich abgesichert, wie Verdi am Freitag mitteilte. Bei den 1400 Kabinenbeschäftigten steigen die Gehälter um monatlich 450 Euro. Die Anpassungen gelten nach Angaben der Fluggesellschaft ab Juli 2024. Zudem sollen beide Berufsgruppen ab 2025 jährlich fünf Prozent mehr erhalten. Verdi zufolge erhöhen sich damit die Gehälter der Pilotinnen und Piloten insgesamt um mindestens 15,7 Prozent, bei den Kabinenbeschäftigten sind es zwischen 34,1 und 38,4 Prozent.

"Wir haben jetzt die langersehnte und zwischenzeitlich ins Stocken geratene Tarifierung bei Discover Airlines durchgesetzt", sagte Verdi-Verhandlungsführer Marvin Reschinsky. Das Ergebnis liege deutlich über den Forderungen der anderen Gewerkschaften. Discover-Chef Bernd Bauer sagte, dass die Ersttarifierung einen wichtigen Meilenstein in der Geschichte der jungen Airline darstelle, die ihren Flugbetrieb im Sommer 2021 aufgenommen hat. "Nicht ausblenden darf man dabei, dass der Abschluss auch mit deutlichen Kostenbelastungen und Einschränkungen unserer Planungsflexibilität einhergeht. Hier sind wir an die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gegangen." Die Vergütungs- und Manteltarifverträge haben eine Laufzeit bis Ende 2027.

Ein Novum sind exklusive Sonderleistungen für Verdi-Mitglieder. Sie erhalten pro Jahr ein halbes Monatsgehalt als Bonus, der im Fall einer wirtschaftlichen Krise in längere Kündigungsfristen umgetauscht werden könnte. Das setzte Verdi im Gegenzug für eine Vereinbarung durch, im Konfliktfall vor einem Streik in eine Schlichtung zu gehen.

VC UND UFO KÖNNTEN STREIKEN

Ob damit bei der von Streiks zu Jahresbeginn getroffenen Lufthansa-Tochter Ruhe einkehrt, ist fraglich. Arbeitskämpfe im Frühjahr bei der Lufthansa und Discover hatten eine halbe Milliarde Euro an Ergebnis gekostet, die Lufthansa musste ihre Jahresziele senken. Der Tarifabschluss sorgt für Ärger bei VC und UFO. Die VC protestierte schon kurz vor Abschluss der Gespräche mit Verdi und kündigte Streik im Sommer an, sollte Discover nicht auch mit ihnen die fast fertigen Tarifverträge abschließen. "Dass jetzt die Tarifierung mit einer Gewerkschaft erfolgen soll, die keinen Rückhalt in der Belegschaft hat, mag auf den ersten Blick für den Arbeitgeber einfacher erscheinen, wird aber zu keiner nachhaltigen Lösung führen", erklärte VC-Chef Andreas Pinheiro.

UFO erklärte in dieser Woche, die sich abzeichnende Einigung mit Verdi sei ein Skandal, weil sie zusammen mit der VC an die 1000 Mitglieder hätten, also fast die Hälfte der Beschäftigten. Verdi ist nach Darstellung von UFO viel schwächer vertreten, weshalb die Flugbegleitergewerkschaft eine sofortige Auszählung der Mitglieder forderte. Nach dem Tarifeinheitsgesetz ist das aber nur möglich, wenn die rivalisierenden Gewerkschaften ebenfalls einen Tarifvertrag abschließen. Es würde dann der Vertrag der Gewerkschaft mit den meisten Mitgliedern gelten. Sollte das Airline-Management Tarifabschlüsse mit VC und UFO verweigern, stünden Erzwingsungsstreiks ins Haus.

(Bericht von Philipp Krach und Ilona Wissenbach, redigiert von Myria Mildenberger. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)