Zahlen, die für sich sprechen – aber nicht für die Aktie

Die Kennzahlen fallen ernüchternd aus: Der Gewinn vor Steuern sank von 214 Millionen Pfund im Jahr 2022 auf 159 Millionen in 2023, dann auf 93 Millionen im Jahr 2024. Für das Geschäftsjahr 2025 weist das Unternehmen nur noch 34,1 Millionen Pfund aus. Doch der neue CEO, Ije Nwokorie, rechnet im kommenden Jahr mit einem deutlichen Aufschwung – zwischen 54 und 74 Millionen Pfund an EBIT.

Seit seinem Amtsantritt im Januar verkörpert Nwokorie die Hoffnung auf eine Wende. Nach Vorlage der Geschäftszahlen stellte er seinen Plan vor: unter anderem das Ende von Preisnachlässen – ein klares Zeichen des Vertrauens in die Strahlkraft der Marke. Eine Strategie, die in der Regel auf eine bewusste Premiumisierung abzielt, also auf eine Stärkung des Markenwerts in den Augen der Konsumenten.

Kurz gesagt: Ziel ist es, die Marke zu schützen.

Neue Kunden statt Ausverkauf der Marke

Gleichzeitig will das Unternehmen den bislang dominanten Direktvertrieb an Endkunden reduzieren, um neue Käufersegmente zu erschließen.

Während viele Unternehmen sich in Krisenzeiten auf ihre historischen Erfolgsprodukte besinnen, wagt Dr. Martens bewusst die Öffnung: Taschen, Halbschuhe, Sandalen – die ikonische gelbe Naht allein genügt nicht mehr. Die klassische Retro-Stiefelette zeigt erste Ermüdungserscheinungen.

Ziel ist es, die Markenidentität nicht durch Rabattschlachten zu beschädigen, sondern durch ein erweitertes Produktangebot neue Zielgruppen anzusprechen – weit über die ikonische Stiefel-Silhouette hinaus.

Durchwachsene Verkaufsentwicklung

Die Stiefelverkäufe gingen weiter zurück, während sich andere Produktkategorien wie Schuhe, Sandalen und Pantoletten – online wie stationär – im Aufwind zeigten. Auf Jahressicht sank der Gesamtumsatz dennoch um 10 %. Positiv vermerkt wird die Erreichung des oberen Ziels beim Sparprogramm: 25 Millionen Pfund an eingesparten Kosten – ein willkommenes Signal nach dem dramatischen Vorjahresrückgang des Vorsteuergewinns um 43 %.

Neben der Kostenseite gibt es auch auf Absatzmärkten Lichtblicke: Die USA, die 37 % des Umsatzes ausmachen, zeigen Anzeichen der Stabilisierung. Nachdem die Verkäufe dort seit der Pandemie mehrfach um mehr als 20 % eingebrochen waren, liegt das Minus 2025 nur noch bei 8,2 %. Das Management führt das auf eine intensive Kommunikation der neuen Strategie zurück.

Produktionsrisiken bleiben bestehen

Die Produktionsverlagerung aus China nach Vietnam (62 % der Herbst-/Winterkollektion) und Laos (31 %) sorgt jedoch für neue Risiken. Hintergrund ist die mögliche Einführung eines 46%igen US-Zolls auf vietnamesische Importe. Um dem zuvorzukommen, hat Dr. Martens angekündigt, den Großteil der Herbst-/Winterware bis Anfang Juli in die USA zu verschiffen.

Ein Übernahmeziel?

Für Neil Wilson, Marktstratege bei Saxo Markets, ist „die Dynamik positiv, aber der Weg bleibt lang“. Er bringt eine mögliche Übernahme ins Spiel – durch ein Unternehmen, das Dr. Martens in eine größere Wertschöpfungskette integrieren könnte: „Ein potenzieller Bieter würde sich eine starke, wiedererkennbare Marke in sein Portfolio holen und von einer vertikalen Integration der Lieferkette in einen größeren Konzern profitieren“, so Wilson.

Analysten der Royal Bank of Canada (RBC) warnen hingegen, dass die Prognosen für 2026 aufgrund unterschätzter Währungseffekte nach unten korrigiert werden könnten.