Ein Sektor unter Dauerstress
In den vergangenen Monaten haben wir mehrfach über die Erschütterungen im amerikanischen Krankenversicherungswesen berichtet. Die Ereignisse überschlugen sich – fast immer zum Nachteil der betroffenen Unternehmen. Den Anfang machte im Dezember vergangenen Jahres die Ermordung von Brian Thompson, CEO des größten Marktakteurs UnitedHealthcare (Tochter von UnitedHealth), was eine Debatte über die Struktur eines von Privatunternehmen dominierten Gesundheitssystems entfachte.
Anfang des Jahres leitete das US-Gesundheitsministerium zudem eine Untersuchung zur Abrechnungspraxis im Medicare-Programm ein, das Menschen ab 65 Jahren absichert. Weitere Rückschläge folgten: Cigna und Humana präsentierten enttäuschende Zahlen, belastet durch gestiegene Gesundheitskosten. Jüngst senkte auch Branchenriese UnitedHealth seine Prognosen und sieht sich nun mit schweren Betrugsermittlungen konfrontiert.
Der defensive Charakter der Branche – lange ein Garant für Stabilität – konnte in Zeiten politischer Unsicherheit und der wirtschaftspolitischen Offensive von Donald Trump nur bedingt stützen.
Entsprechend stark divergieren die Kursentwicklungen: Während Elevance Health vergleichsweise glimpflich davonkam, hat Humana deutlich stärker verloren. UnitedHealth liegt seit Jahresbeginn mit 35 % im Minus. Lediglich Cigna konnte seit Anfang 2024 eine positive Performance verzeichnen.
Centene zieht die Reißleine
Nun hat auch Centene seine Gewinnziele für das laufende Jahr zurückgezogen. Ausschlaggebend sind zwei Faktoren:
Erstens brechen die erwarteten Einnahmen aus Einzelversicherungsverträgen (Marketplace) deutlich ein. Neue Daten zeigen, dass der Gesundheitszustand der versicherten Bevölkerung schlechter ist als angenommen und das Marktwachstum in vielen Bundesstaaten an Dynamik verliert. In der Folge entgehen Centene etwa 1,8 Milliarden US-Dollar an sogenannten Risikoausgleichszahlungen – Mittel, die eigentlich zur Kompensation höherer Kosten für besonders gesundheitlich belastete Versicherte dienen sollen.
Doch je kränker die Versicherten, desto höher die Ausgaben für Arztbesuche, Krankenhausaufenthalte und Medikamente – während die Prämien im Voraus festgelegt sind. Die Folge: massiv schrumpfende Margen. Konkret rechnet Centene nun mit einem Rückgang des Jahresgewinns um 2,75 Dollar pro Aktie – gegenüber einem ursprünglichen Ziel von über 7,25 Dollar. Besonders brisant: Centene ist mit 4,4 Millionen Versicherten in 29 Bundesstaaten unter der Marke Ambetter Health der größte Anbieter auf dem Individualversicherungsmarkt.
Zweitens explodieren die medizinischen Kosten in mehreren Bundesstaaten – besonders in New York und Florida. Treiber sind dabei Ausgaben für psychische Gesundheit, häusliche Pflege und Arzneimittel. Centene stellt sich auf einen weiteren Anstieg der Gesundheitsausgaben im zweiten Quartal ein.
Zurück auf Pandemie-Niveau
Der Aktienkurs von Centene ist mittlerweile auf das Niveau während der Corona-Pandemie zurückgefallen – wenn nicht sogar noch darunter, je nachdem, ob man 2020 oder 2021 als Referenz nimmt.
Seit dem Auslaufen eines pandemiebedingten Sondermechanismus stehen insbesondere Anbieter von Medicaid-Plänen – die sich an Menschen mit geringem Einkommen richten – unter Druck. Mehrere Bundesstaaten haben ihre Anspruchskriterien verschärft, was dazu führte, dass gesündere Versicherte aus dem System gefallen sind. Übrig bleibt eine kostenintensivere Versichertenbasis.