Von David Wainer
NEW YORK (Dow Jones)--Bei den Aktien der großen Pharmaunternehmen wird derzeit Marktrotation gespielt. Branchen-Nachzügler wie Bristol Myers Squibb haben in den vergangenen Wochen stark zugelegt, während die hoch bewerteten Anti-Adipositas-Aktien Eli Lilly und Novo Nordisk gesunken sind. Aber diese Bewegungen haben mehr Gründe als nur Marktdynamik: Es hilft auch, dass die Branche die regulatorischen Herausforderungen offenbar gut übersteht.
Eine der größten Sorgen der Pharmakonzerne in den USA in den vergangenen Jahren war der Preisdruck auf Medikamente, der aus dem 2022 verabschiedeten Inflation Reduction Act (IRA) resultiert. Dieses Gesetz, das ein Sozialpaket zur Gesundheitsvorsorge enthält, gibt der US-staatlichen Krankenversicherung Medicare erstmals die Befugnis, direkt zu verhandeln, wieviel sie für einige hochpreisige Therapien zahlt.
Im vergangenen Jahr benannte die US-Regierung die ersten 10 Medikamente, die Gegenstand der Verhandlungen sein werden, und zielte dabei auf einige der am häufigsten verwendeten Medikamente in den USA ab. Unklar war jedoch, wie hoch der Rabatt sein würde, den Washington anstreben würde.
Auswirkungen aus Inflation Reduction Act nicht so stark wie befürchtet
Managementteams der Pharmakonzerne werden weiterhin über die angeblichen Auswirkungen des Gesetzes auf Innovation klagen. Aber eine genaue Betrachtung der Branchengewinne diesen Monat deutet darauf hin, dass die Manager Investoren signalisieren, dass die Auswirkungen nicht so schlimm sein werden. Während die Verhandlungen vertraulich stattfinden und die ermäßigten Preise erst am 1. September bekannt gegeben werden, haben die Unternehmen, deren Medikamente für die erste Runde ausgewählt wurden, finale Angebote erhalten. Deshalb können Manager nun mehr Informationen mit der Wall Street teilen.
Und die Botschaft, sagt David Risinger, Analyst bei Leerink Partners, ist, dass ihre Wachstumsaussichten zumindest vorerst relativ intakt sind. "Sie sagen, dass es in den kommenden Jahren keine ernsthaften Probleme für ihre Finanzen verursachen wird", sagt er.
Der Pharmakonzern Johnson & Johnson ist bisher am stärksten von dem Gesetz betroffen, da drei seiner umsatzstärksten Medikamente - das Psoriasis-Medikament Stelara, Imbruvica für Blutkrebs (in Kooperation mit AbbVie) und der Blutverdünner Xarelto - für die Verhandlungen ausgewählt wurden. J&J startete Anfang des Monats die Berichtssaison. Die Manager kommunizierten den Analysten gegenüber, dass das Unternehmen für 2024 Umsatzwachstum von mehr als 3 Prozent erwartet und dann bis 2030 5 bis 7 Prozent - trotz der "negativen Nettoauswirkungen" des Gesetzes im Jahr 2025. "Wir haben die endgültigen Zahlen von der Regierung erhalten", sagte Jennifer Taubert, Executive Vice President von J&J, gegenüber Analysten. "Und obwohl wir nicht mit dem IRA übereinstimmen... wurden diese Zahlen in die Prognose aufgenommen, die wir im vergangenen Jahr ausgegeben haben... die für uns heute immer noch sehr gut aussieht."
Bristol Myers seinerseits äußerte sich optimistisch über die Auswirkungen auf seinen umsatzstärksten Blutverdünner Eliquis. "Nachdem wir nun den endgültigen Preis gesehen haben, sind wir zuversichtlich, dass wir die IRA-Auswirkungen auf Eliquis bewältigen können", sagte CEO Chris Boerner Analysten in der Telefonkonferenz am Freitag. Und Astrazeneca teilte mit, dass die Auswirkungen auf sein Diabetes-Medikament Farxiga sehr begrenzt sein werden.
Neben der Medicare-Ermächtigung wird eine weitere Bestimmung des IRA, die die Ausgaben von Patienten mit sogenannten Part-D-Plänen für Medikamente ab 2025 auf 2.000 US-Dollar pro Jahr begrenzt, voraussichtlich einige Hersteller treffen. Denn sie müssen mehr Rabatte anbieten, sobald die Patienten-Ausgaben einen bestimmten Schwellenwert erreichen. Aber das Abbvie-Management äußerte sich vergangene Woche optimistisch und teilte Analysten mit, dass das Unternehmen trotz des Gegenwinds durch die Neugestaltung von Part D mit robustem Umsatzwachstum rechnet.
Deutliche Gewinne verstärken Popularität von Value-Aktien
Der vorsichtige Optimismus ist nicht nur auf den IRA zurückzuführen. Mehrere große Pharmaunternehmen, allen voran Abbvie und Bristol Myers, haben deutlich besser als erwartete Gewinne erzielt, was die Dynamik der Aktienmarktrotation hin zu Value-Aktien verstärkt. Seit 8. Juli sind die Aktien von Bristol Myers um mehr als 20 Prozent gestiegen - Abbvie, Pfizer und J&J haben jeweils mehr als 10 Prozent zugelegt. In der Zwischenzeit haben Lilly und Novo, deren Aktien in den vergangenen Jahren aufgrund des GLP-1-Hypes um Mittel gegen Übergewicht in die Höhe geschnellt sind, jeweils um mehr als 10 Prozent nachgegeben.
Für Jared Holz, Healthcare-Equity-Stratege bei Mizuho, erinnert die aktuelle Rotation an das letzte Mal, als Pharma für Investoren allgemein gut funktionierte. Das war im zweiten Halbjahr 2022, als die Angst vor Inflation und Zinssätzen die Investoren auf die Suche nach Value-Aktien lenkte, weg von Wachstumsaktien. Diese Rotation könnte noch weitergehen. Selbst nach den jüngsten Kursgewinnen werden die meisten Pharmaunternehmen Factset zufolge deutlich unter dem Kurs-Gewinn 2025-Verhältnis des S&P 500 von fast 20 gehandelt. Beispielsweise bei der Bristol-Myers-Aktie liegt dieser Wert derzeit bei weniger als dem Achtfachen des für 2025 erwarteten Gewinns. Davon ausgenommen sind natürlich die Pharmakonzerne mit den populären Produkten gegen Fettleibigkeit: Das Verhältnis von Lilly liegt bei über 40.
Lässt man den Hype um Medikamente gegen Adipositas mal beiseite, scheinen Big-Pharma-Aktien nun wieder ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zu bieten.
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July 30, 2024 01:59 ET (05:59 GMT)