Frankfurt (Reuters) - Die neu entflammten Rezessionsängste setzen dem Aktienmarkt auch zum Start in die neue Woche schwer zu.
"Man mag das Wort Crash an der Börse ungern in den Mund nehmen, aber an diesem heutigen Montagmorgen fühlt es sich ganz danach an", sagte Börsenstratege Jürgen Molnar vom Broker RoboMarkets. Für Gesprächsstoff sorgte vor allem der Kurseinbruch in Japan. Der Tokioter Leitindex Nikkei schloss 12,5 Prozent schwächer bei 31.420 Punkten. Damit verzeichnete er den größten Tagesverlust seit 37 Jahren. "Vor diesem Hintergrund kann man beim Minus des Deutschen Aktienindex fast schon von Stabilität sprechen", sagte Experte Molnar. Der Dax notierte am Vormittag knapp drei Prozent schwächer bei 17.173 Punkten.
Die Börsen befinden sich seit Ende vergangener Woche in einem Ausverkaufsmodus. Hintergrund war unter anderem eine Serie schwacher Konjunkturdaten rund um den Globus. Anleger machten sich Sorgen, dass die hohen Zinsen dies- und jenseits des Atlantiks doch zu einer Rezession in den USA und anderen wichtigen Volkswirtschaften führen könnten. Auf die Stimmung drückten zugleich auch negativ aufgenommene Finanzberichte von US-Technologieriesen wie Amazon und Intel. "Das Wachstum im Bereich Künstliche Intelligenz kommt mit enormen Kosten daher, was die hohen Aktienbewertungen plötzlich als übertrieben erscheinen lässt", erläuterte Chefanalyst Jochen Stanzl vom Broker CMC Markets.
BITCOIN MIT PREISEINBRUCH - ÖLPREIS LEICHT SCHWÄCHER
Unter die Räder gerieten auch die Kryptowährungen. Die umsatzstärkste Cyber-Devise, der Bitcoin, brach um mehr als 15 Prozent ein. Andere Digitalwährungen wie Ethereum und Ripple verloren bis zu rund 20 Prozent. "Alles, was mit Risiko zu tun hat, wird in solchen Momenten gemieden", konstatierte Experte Timo Emden vom Analysehaus Emden Research.
Die Konjunktursorgen veranlassen derzeit viele Investoren an den Terminmärkten dazu, auf eine Zinssenkung der US-Notenbank Fed um einen halben Prozentpunkt zu setzen. Noch vor einem Monat gingen nahezu alle Marktteilnehmer maximal von einem viertel Prozentpunkt aus. "Und eigentlich wäre die bevorstehende Zinswende Grund für gute Laune bei den Anlegern gewesen. Doch die Sorge über eine Konjunkturabkühlung wiegt derzeit wohl schwerer", kommentierte Christian Henke, Analyst vom Broker IG. Die Erwartung einer kräftigeren Zinssenkung als geldpolitische Rettungsaktion für die Wirtschaft drückte den Dollar-Index um ein halbes Prozent ins Minus auf 102,75 Punkte.
Eine weitere "Zutat im bitteren Nachrichten-Cocktail" sei das Risiko eines Konflikt-Flächenbrands in Nahost, sagte Henke. Israel und die USA wappneten sich für eine Eskalation, nachdem der Iran und seine Verbündeten Hamas und Hisbollah Vergeltung für den Tod wichtiger Anführer angekündigt hatten. Dies grenzte die Verluste am Ölmarkt, der ebenfalls wegen der Konjunktursorgen unter Druck geriet, ein. Die Nordsee-Rohölsorte Brent und die US-Sorte WTI verbilligten sich um jeweils knapp ein Prozent auf 76,27 und 72,93 Dollar je Fass (159 Liter).
KONJUNKTURABHÄNGIGE WERTE UNTER DRUCK
Aus den Depots flogen vor allem stärker konjunkturabhängige Werte. Die Titel des Online-Modehändlers Zalando, des Sportartikel-Herstellers Adidas und des Essenslieferdienstes Delivery Hero rutschten um bis zu knapp sechs Prozent ab. Unter Druck gerieten auch die Aktien des Kupferproduzenten Aurubis, die 6,5 Prozent verloren, obwohl die Quartalszahlen nur leicht unter den Markterwartungen lagen.
Für lange Gesichter sorgten auch andere Konzernbilanzen und -prognosen. Gekappte Gesamtjahresziele schickten United Internet und 1&1 auf Talfahrt. Die Aktien des Internet-Anbieters und seiner Mobilfunk-Tochter fielen um jeweils mehr als 15 Prozent. In ihrem Sog büßten die Titel der United-Tochter Ionos gut drei Prozent ein.
Nach einer Verkaufswelle als Reaktion auf eine erneute Prognose-Korrektur stiegen Anleger dagegen wieder bei Infineon ein. Die Aktien rückten um 1,4 Prozent vor, nachdem sie zunächst um knapp sechs Prozent abgerutscht waren. Analyst Dirk Schlamp von der DZ Bank äußerte sich erleichtert, dass größere negative Überraschungen ausgeblieben seien.
(Bericht von Zuzanna Szymanska, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)